Inszenierungen gehen manchmal seltsame Wege: Anna Bergmanns Adaption der TV-Serie ihres Fast-Namensvetters Ingmar Bergman war im Herbst 2013 ein Überraschungs-Erfolg im Theater Lübeck und wurde dort u.a. von Nachtkritik sehr positiv besprochen.
Auf ihrer nächsten Karrierestation als Schauspieldirektorin am Badischen Staatstheater Karlsruhe nahm Anna Bergmann ihre Arbeit ans andere Ende der Republik mit. Das Konzept der Inszenierung blieb bei der Übernahme gleich: der Abend über den Scherbenhaufen einer Ehe ist ein Parcours für kleine Gruppen durchs Haus. Nur die Besetzung änderte sich: die männliche Hauptrolle übernahm Timo Tank von Andreas Hutzel. Den Reiz dieser Inszenierung macht es sicher aus, ganz hautnah dabei zu sein, wenn Marianne und Johan ihre Konflikte verhandeln und sich unangenehme Wahrheiten an den Kopf werfen.
Corona-bedingt wurde aus der Film-Adaption nun wieder ein Theater-Film: gestern hatte am Badischen Staatstheater Karlsruhe die Stream-Version von „Szenen einer Ehe“ Premiere. Der Einstieg, den Jens Fischer in seiner Nachtkritik zur Lübecker Bühnen-Version besonders lobte, ist in der Film-Version wesentlich platter. Für die Eingangsszene, in der sich Anna Bergmanns Theater-Inszenierung das Darsteller-Paar ganz ungezwungen unter das Publikum im Foyer mischt, wird durch ein Comedy-Intro ersetzt, bei dem sich Sina Kießling (Marianne) und Timo Tank (Johan) ans Publikum vor dem Bildschirm wenden und Klischees über Emanzipation und Rollenbilder austauschen. Diese ersten fünf Minuten könne man auch einfach überspringen, sagen die beiden so treffend wie selbstironisch.
In den kommenden zwei Stunden bekommt das Publikum eine kondensierte Fassung der Ehe-Konflikte geboten, die nah an Ingmar Bergmans Original bleibt, aber dieses Meisterwerk natürlich nicht erreichen kann. Vor allem während der ersten Stunde folgt die Stream-Version dem Konzept des Theater-Parcours: die Kamera von Sophie Lux und Achim Goebel schwenkt durch die schmalen Gänge hinter den Kulissen und folgt dem Paar in die Intimität der Garderoben.
Wie schon in Bergmans Film sind auch in Bergmanns Theaterfilm die Sympathien eindeutig verteilt: Johan, der sich auf dem Kongress in die junge Studentin verliebt, wird als armseliges Würstchen gezeichnet, der seinen Trieben folgt, sich zunächst als Sieger sieht, aber unreif in einer erkalteten Affäre feststeckt, die weit hinter seinen Illusionen zurückbleibt. Marianne, die zunächst am Boden zerstört ist, zieht aus der Krise neue Kraft und erscheint in der zweiten Hälfte als selbstbewusste Frau. Mal kippt der Theaterfilm in Richtung Comedy, mal eher zum Melodram, auf der Zielgeraden wird er zum kunstblutgetränkten Ringkampf auf dem Büro-Boden, den Stefan Richter choreographierte.
Anna Bergmann blieb den Filmstoffen ihres schwedischen Fast-Namensvetters treu: sie adaptierte nicht nur in Karlsruhe weitere seiner Filme, sondern war mit ihrer deutsch-schwedischen Koproduktion von Bergmans sperrigem Experimentalfilm „Persona“ am Deutschen Theater Berlin auch zum Theatertreffen 2018 eingeladen. Im Vergleich dazu ist das psychorealistische Ehe- und Scheidungsdrama „Szenen einer Ehe“ wesentlich zugänglicher.
Bilder: Felix Grünschloß