Die wohl spektakulärste Ausstellung dieses Post-Lockdown-Sommers ist die Retrospektive der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama im Gropius-Bau. Die Besucher werden gleich im Foyer von überdimensionalen, pinken, bepunkteten Tentakel-Armen empfangen, die fast bis zur Decke ragen und ein Labyrinth bilden.
„A Bouquet of Love I Saw in the Universe“ nennt sich diese beeindruckende Installation. Hinter fast jedem Tentake stößt man auf den nächsten Besucher, der für ein Selfie posiert, kaum ein Motiv wurde in den vergangenen Wochen auf Instagram so häufig gepostet wie diese Fangarme.
Zwei große Themen aus dem Werk der Japanerin, die seit 80 Jahren produktiv ist, sind bereits in dieser Eröffnungs-Installation zu erleben: das Psychedelische und die Liebe. Immer wieder spielt Kusama mit Sinnes-Täuschungen, Spiegelungen und Vervielfachungen der Perspektive. Zu den Highlights der Werkschau gehören die „Floor Show“ (November 1965 in der Castellane Gallery in New York mit ihrem ersten „Infinity Room“: das „Phalli´s Field“ scheint sich durch die Spiegelungen ins Unendliche zu verlängern.
Genau gestoppte 30 Sekunden hat jeder Besucher Zeit, durch den „Infinity Mirror Room – The Eternally Infinite Light of the Universe Illuminating the Quest for Truth“ zu gehen. Mit moderner LED-Technik und blinkenden Kugeln schreibt Kusama in diesem Raum kurz vor Schluss des Rundgangs ihren markanten Stil fort.
Als Kind ihrer Zeit zeigte sich Kusama bei den Nackt-Happenings, die sie im Herbst 1967 in Den Haag veranstaltete und einige Jahre später auch in ihrer japanischen Heimat wiederholen wollte. Für die konservativ geprägte Gesellschaft war diese Freizügigkeit jedoch zu viel, sie wurde von der Polizei verhaftet.
Noch bis 15. August ist Kusama-Werkschau zu sehen, ab 1. August werden die Öffnungszeiten bis 23 Uhr verlängert, um den Besucheransturm noch besser zu bewältigen.
Der Besuch der Retrospektive lässt sich gut mit einer zweiten Ausstellung verbinden. Abseits des Kusama-Trubels findet man unter dem Dach des Gropius-Baus die Schau „Everything is just for a while“: 70 Jahre nach der Eröffnung der Berliner Festspiele mit Beethovens 9. Sinfonie im September 1951 blickt die Institution auf ihre Geschichte zurück.
Leider besteht diese Jubiläumsschau, die noch bis 17. Oktober zu sehen ist, vor allem aus einer großen Zeittafel an der Wand des Raumes, die Events, Programmreihen und Leuchtturm-Projekte auflistet. In der Mitte des Ausstellungs-Saals laufen Archiv-Schnipsel auf Monitoren, meist VHS-Mitschnitte von SFB/RBB-Berichten, wie z.B. über das erste Europa-Gastspiel von Merce Cunningham, das dem TV-Kommentator zu avantgardistisch war.
Vom DAU-Projekt über die Welten, die Bert Neumann für Frank Castorfs zum Theatertreffen eingeladene Inszenierungen entworfen hat, bis zum „Nationaltheater Reinichendorf“ des Radikalperformer-Duos Vinge/Müller werden hier viele legendäre Arbeiten zitiert.
Vorschaubild: Installationsansicht “A Bouquet of Love I Saw in the Universe”, 2021, Gropius Bau, Bild: Luca Girardini