Spannend wie ein Thriller ist der Einblick, den uns Regisseur Daniel Sager und sein Drehbuch-Co-Autor Marc Bauder in die Arbeit des Investigativ-Teams der Süddeutschen Zeitung geben.
Schon die Veröffentlichung der „Panama Papers“ über Steueroasen, die im April 2016 in einem Rechercheverbund der SZ mit anderen renommierten, internationalen Qualitätszeitungen geschah, hat viel Staub aufgewirbelt. Sie war auch Ausgangspunkt für dieses dokumentarische Porträt. In Malta wurde ein Jahr nach der Enthüllung eine prominente Bloggerin mit einer Autobombe ermordet. Die genauen Umstände sind bis heute unklar, aber eine Verbindung zu diesem Recherche-Coup liegt leider nahe. Dementsprechend beklommen steht Bastian Obermayer, Ressortleiter Investigative Recherche, am Grab der Kollegin auf der Mittelmeer-Insel.
Skeptische Blicke links und rechts und eine konsprative Atmosphäre prägen auch die ersten Szenen der Dokumentation „Hinter den Schlagzeilen“: Obermayer und seinem wichtigsten Mitarbeiter und Fast-Namensvetter Frederik Obermaier gelang es, den Whistleblower Edward Snowden, der seit Jahren untergetaucht ist, zu einem Interview zu treffen, in dem er auch ihrer Arbeit Respekt zollte.
Sehenswert macht diese Dokumentation, die im Mai 2021 das DOK.Fest München eröffnete und am 16. September in den Kinos startete, vor allem die ebenso akribische wie fieberhafte Arbeit an einem Projekt, das ein Jahr lang unter größter Geheimhaltung in der Schwebe war. Das Ibiza-Video, das zeigt, wie sich der damalige österreichische Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache und sein Adlatus bei einem heimlich gefilmten Treffen mit einer angeblichen russischen Oligarchin um Kopf und Kragen reden, wurde dem Investigativ-Team bereits ein Jahr vor der Veröffentlichung auszugsweise zugespielt.
Diese Koproduktion mit der ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ ist hochinteressant und ein Lehrstück politischer Bildung, den Redakteuren bei ihren Gesprächen mit den Justitiaren und dem Chefredakteur Wolfgang Krach zuzusehen: Verstößt eine Veröffentlichung gegen Persönlichkeitsrechte und das Presserecht? Oder ist eine solche Veröffentlichung nicht zwingend geboten, da es um schwerwiegende Vorwürfe gegen die Integrität eines Vizekanzlers geht? Die Redaktion musste abwägen: Führt der Scoop nur zu einem Shit-Storm von der rechten Seite gegen die angebliche „Lügenpresse“? Oder droht den SZ-Verantwortlichen gar eine Haftstrafe?
Wie sich die Süddeutsche Zeitung entschied, ist bekannt: Am 17. Mai 2019, einem Freitag Nachmittag, löste die Eilmeldung über die Ibiza-Affäre ein politisches Beben aus. Die Wiener Regierung zerbrach, Sebastian Kurz flüchtete sich in ein schwarz-grünes Bündnis, sein Ex-Vize-Kanzler musste sich vor Gericht verantworten, dem Theater bescherte dieser Skandal mit „Schwarzwasser“ ein neues Stück der Viel- und Schnellschreiberin Elfriede Jelinek.
Bilder: bauderfilm