Das Leben ein Traum

Seiner Vorliebe für düstere, archaische Stoffe frönte Burgtheater-Intendant Martin Kušej zur Wiedereröffnung seines Hauses nach dem ersten Corona-Lockdown im September 2020. Nur selten wird Pedro Caldéron de la Barcas „Das Leben ein Traum“ gespielt. Fremd wirkt das Drama um den Königssohn Sigismund, der von seinem Vater in einen Turm gesperrt wird, da er Angst hat, dass sich eine Weissagung erfüllen könnte.

Was den regieführenden Intendanten an dem Stück aus dem 17. Jahrhundert so sehr reizte, dass er ihm die herausgehobene Position zur Eröffnung der Spielzeit einräumte, fragten sich manche Kritiker. Im Programmheft-Interview mit dem Dramaturgen Sebastian Huber arbeitete der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl aber doch einige interessante Aspekte dieses Dramas heraus, in dem die Figuren an der Schwelle zur Neuzeit um ihre Sichtweise auf die Welt zwischen schicksalsergebener Determiniertheit und Selbstbestimmung ringen.

Der sehr lange Abend ist in tiefes Schwarz getaucht, das Halbdunkel wird oft von den Schwarzblenden, einem Markenzeichen von Kušejs Regie-Stil, verschluckt, im Hintergrund wummern Bert Wredes Bässe. Das Setting ist nicht besonders neu, der Abend lebt jedoch von den beiden Hauptdarsteller*innen: Franz Pätzold, schon am Münchner Residenztheater einer der Lieblingsschauspieler von Kušej, dem die Rolle des Sigismund auf den über weite Strecken nackten, sehnigen Leib geschrieben ist. „Halb Mensch, halb Tier“ beschreibt sich diese Figur selbst, die wie ein Zombie zwischen Keller-Gefängnis und Thron tigert.

Norman Hacker, Franz Pätzold

Sein Gegenpol ist Rosaura, androgyne Rächerin auf der Suche nach ihrer Identität, die von Julia Riedler gespielt wird: die junge Österreicherin war einer der Shootingstars der Münchner Kammerspiele zu Matthias Lilienthals Zeit, gleich schräg gegenüber von Kušejs Residenztheater, und arbeitet mittlerweile frei.

Julia Riedler

Um die beiden Kristallisationspunkte Pätzold und Riedler herum baut der Regisseur seine Szenen. Eine düstere Elegie ist dieser Abend, der mit mehr als drei Stunden deutlich zu lang geraten ist und manche Straffung und Verdichtung gut vertragen hätte. Aber doch gibt es über immer wieder eindrucksvolle Momente der beiden Antagonisten, die uns in ihre fremde Welt hineinziehen.

Bilder: Andreas Pohlmann

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