Unter das Motto „Fantastische Zeiten“ stellte der TD Berlin die neue Ausgabe seines traditonsreichen Monologfestivals, das mit einigen bekannten Namen aus der Freien Szene in den letzten Oktobertagen aufwartet.
Das lange Auftaktwochenende stand nach der Auftaktrede von Dietmar Dieth, schillernde Figur und Feuilletonist in der FAZ, einer Art Zentralorgan „alter weißer Männer“, ganz im Zeichen des Empowerments schwarzer Frauen. Jessica Butler schreitet mit Schmuck behangen wie eine Königin auf die Bühne, das Publikum im Saal muss sich ihr zu Ehren erheben, nur diejenigen, die dem Live-Stream folgen, dürfen sitzen bleiben: Hybrid ist dieses Festival konzipiert, einige Arbeiten werden live gefilmt und ins Netz übertragen.
Auf ihrem kleinen Podest steigert sich die Performerin Butler aus dem britischen Zealtotale-Trio in einen beschwörenden, pathetischen Tonfall hinein. Sie sei die personfizierte Intersektionalität, propagiert Butler in ihrer Hommage an eine der Vorkämpferinnern dieser feministischen Richtung: von Audre Lorde, einer schwarzen, lesbischen Feministin aus dem West-Berlin der 1980er Jahre, an die Wieland Speck vor einigen Jahren im Panorama der Berlinale erinnerte, ist „Protect & Survive“ geprägt.
Langsam legt Butler ihre Rüstung und ihren schweren Ornat ab, schwärmt von ihrem Empowerment und lädt das Publikum zu einer Achtsamkeitsübung ein. Die kleine Performance, die das Frauen-Kollektiv aus dem britischen Leicester gemeinsam mit Sarah Thom von den Freie Szene-Promis Gob Squad entwickelte, surft zielsicher auf den Themen angesagter feministischer, soziologischer und kulturwissenschaftlicher Theorien. Die Arbeit wirkt durchaus sympathisch, aber oft auch beliebig. Empowerment- und Selbsterfahrungs-Performances dieser Art hat das Publikum schon häufiger gesehen.
Thematisch eng verwandt ist das Tanz-Solo, das Lois Alexander anschließend performt und mit Christoph Winkler konzipierte, der dem Berliner Publikum vor allem aus den Sophiensaelen bekannt ist: Auch in „A Beginner´s guide to worldbuilding“ steht das Empowerment einer schwarzen Frau im Mittelpunkt. Zu Klängen, die oft an die Opulenz eines Fantasy-Blockbusters erinnern, tanzt Alexander, die in Kalifornien geboren und afroamerikanischer, philippinischer und chinesischer Abstammung ist, ihr Solo, das mit kleineren, englischen Text-Einsprengseln in ihrer assoziativen Collage über Greta Thunberg, den Klimawandel, Netflix-Serien und die Sehnsucht nach künftigen, besseren Welten nachdenkt.
Ein stiller, kleiner Text über das Schreiben und Erinnern ist „Ein Tag im Universum“ von Nele Stuhler, den Lisa Charlotte Friederich auf der TD-Bühne und im Live-Stream performte. Inspiriert von Christa Wolfs sehr lesenswertem Langzeit-Tagebuch-Essay-Projekt „Ein Tag im Jahr“, die jährlich am 27. September über ihr Leben, ihre Gesundheit, ihren Beruf als Schriftstellerin und die Weltlage reflektierte, verfasste Stuhler ihren Beitrag zum Monologfestival.
Sie schlug dabei einen viel nachdenklicheren, weniger aufgedrehten Ton an als zuletzt bei ihrer recht klamaukigen Groteske „Gaia googelt nicht„, die im Frühsommer im Innenhof des Deutschen Theaters lief. Zum leitmotivisch eingespielten Beatles-Song „Octopus´s Garden“ (Regie und Musik: Laura Eggert) entsteht an diesem Abend eine nachdenkliche Meditation über das Schreiben und Erinnern, in der sich Alltagsbeobachtungen, manch Banales und interessante Gedanken mischen.
Vorschaubild: Lois Alexander