Slippery Slope

Hellauf begeistert sind die Gorki-Fans an diesem Premieren-Abend von Yael Ronens Musical „Slippery Slope“. Nach langen Monaten im Lockdown oder im Schachbrett darf endlich wieder vor vollbesetztem, aber maskenbewehrtem Auditorium gespielt werden. Ein Signal, das wie so vieles an der Corona-Politik dieser Tage, wo sich die vierte Welle zu ungekannten Rekordhöhen aufbaut, wie aus der Zeit gefallen wirkt. Wie lange die Theater noch spielen dürfen und ob ein neuer Lockdown droht, wurde geraunt, bevor das Saallicht ausging.

Lindy Larsson führt als gestrauchelter Folk-Pop-Star Gustav durch ein Musical, das in diesen trüben Herbsttagen mit einer Extradosis schlechter Nachrichten die Seelen streichelt und mit einer gehörigen Portion Eskapismus lockt. Zu Kompositionen von Shlomi Shaban, Yanif Friedel und Ofer (OJ) Shabi hat die seit Jahren gefeierte Hausregisseurin Ronen einen süffigen, knapp anderthalbstündigen Revue-Abend konzipiert, der um Buzzwords wie #metoo und Cancel Culture kreist.

Worauf die Autorin und ihr Ensemble hinauswollten, wird zwar auch bis zum Ende nicht klar. Zu holzschnittartig wirken die Figuren, bei denen die Frauenrollen etwas facettenreicher angelegt sind: Riah May Knight als TikTok-Sternchen Sky, Anastasia Gubareva als Gustavs Ex und einflussreiche Verlegerin Klara und Vidina Popov als feministische, investigative Reporterin Stanka sind weniger Schwarz-Weiß gezeichnet als Larssons Gustav und Emre Aksızoğlus Strippenzieher Shantez.

Mit Anspielungen auf Britney Spears, Pop- und Gesellschaftsdiskurse erfreuen Shermin Langhoff und Yael Ronen ihr ebenso treues wie begeisterungswilliges Publikum, das nach der trockenen „1.000 Serpentinen Angst“-Adaption hier wieder voll auf seine Kosten kommt. Die Freude sei ihnen gegönnt, der Winter wird vermutlich ohnehin hart genug. Auch allen, die nicht zur Fanbase gehören, tut dieser fröhlich dahinplätschernde Musical-Abend nicht weh. Die Theatertreffen-Jury hat sich sogar so gut amüsiert, dass sie „Slippery Slope“ als eine der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen des Jahres 2022 ausgewählt hat.

Bild: Esra Rotthoff

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