Don´t look up

Mit grellen Karikaturen spießt Adam McKay die grassierende Wissenschaftsverachtung und die Oberflächlichkeit mancher Medien auf: Meryl Streep spielt als fiktive US-Präsidentin eine demokratische Version der Kurzsichtigkeit und narzisstischen Hybris von Donald Trump und Sarah Palin. Cate Blanchett ist die Anchorwoman einer TV-Show, die zwischen den Meldungen über die neuen Affären von Pop-Sternchen ein paar ernste Themen einstreut und mit Plastik-Grinsen weglächelt.

CATE BLANCHETT as BRIE EVANTEE and TYLER PERRY as JACK BREMMER. Copyright: NIKO TAVERNISE/NETFLIX © 2021

Eine solches Großaufgebot an Stars gibt es nur selten: neben Streep und Blanchett spielen Leonardo diCaprio als Astronom einer Provinz-Uni und Jennifer Lawrence als seine Doktorandin die Hauptrollen, Jonah Hill gibt den Stabschef und zugleich Sohn der Präsidentin, steht der Frau Mama an Borniertheit und Selbstgefälligkeit jedoch kaum nach. Weil McKay nicht nur auf ein hochkarätiges Ensemble vertraut, sondern auch eine sehr gute Plot-Idee hat, hätte „Don´t look up“ alle Chancen gehabt, ein Film-Highlight des Jahres zu werden.

Dass es kein so großer Wurf wie die letzten beiden McKay-Filme „The Big Short“ und „Vice“ wurde, liegt daran, dass der Film zu oft vom schmalen Grat bissiger Satire in alberne Groteske abstürzt und sich die zweite Stunde zu ideenlos dahinschleppt. Der Einstieg war jedoch vielversprechend: die beiden Wissenschaftler entdecken einen Komet, der nach allen Berechungen auf der Erde aufschlagen, zu Tsunamis führen und alles Leben auslöschen wird. Sehr plastisch zeigt „Don´t look up“, wie die Forscher mit ihren Warnungen abblitzen und einige Milieus nur mit Spott und Verachtung auf sie reagieren: eine treffende Parabel auf die Debatten um den Klimaschutz und vor allem auf die Reaktionen, die Virologen wie Christian Drosten oder Melanie Brinkmann erleben mussten.

LEONARDO DICAPRIO as DR. RANDALL MINDY. Copyright: NIKO TAVERNISE/NETFLIX © 2021

Auch eine andere Figur, die zur Hälfte des Films auftaucht, wirkt sehr vertraut: der Tech-Visionär und Multi-Milliardär Peter Isherwell (Mark Rylance) erinnert fatal an größenwahnsinnige Oligopolisten wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg. Aus Gier nach den seltenen Rohstoffen, aus denen einige Kometen-Brocken bestehen, bringt er die Präsidentin dazu, eine Rettungs-Mission im Bruce Willis-Stil des kraftmeiernden Hollywood-Kinos á la „Armageddon“ vergangener Jahrzehnte zu stoppen. Dieser Seitenhieb auf die Filmgeschichte ist einer der gelungenen Einfälle von McKay, die den Film sehenswert machen.

Die Präsidentin und der Tycoon werden zu den Führungsfiguren einer wissenschaftsleugnenden Bewegung. Ihr Slogan „Don´t look up“ steht in seiner Borniertheit den Querdenker-Parolen in nichts nach. Kaum ein Film-Titel brachte den Zeitgeist in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen so gut auf den Punkt. Deswegen wird „Don´t look up“ von einem Kino-Jahr in Erinnerung bleiben, in dem die während mehrerer Lockdowns aufgestauten Filme in zu hoher Schlagzahl auf die Leinwand gebracht wurden und um die knappe Aufmerksamkeit des Publikums konkurrierten.

Der Groteske „Don´t look up“ fehlen aber der satirische Biss und die Eleganz seiner beiden vorherigen Filme, in denen McKay die komplexen Ursachen der geplatzten Spekulations-Blase an den Finanzmärkten in „The Big Short“ so wunderbar verständlich nachzeichnete oder in „Vice“ die Machenschaften des ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney in satirisch-unterhaltsamer Form dokumentierte und damit aufklärerisches Kino schuf, das Spaß macht.

Trotz vier Golden Globe-Nominierungen ging „Don´t look up“ bei der Preisverleihung 2022 leer aus.

Bilder: Niko Tavernise/Netflix

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