Die neuseeländische Regisseurin Jane Campion, die als erste und bis Sommer 2021 auch einzige Frau mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde, ist für ihre sensiblen Frauen-Porträts bekannt. Nach 12 Jahren Kino-Abstinenz, in denen sie sich auf das serielle Erzählen mit seinen größeren Freiräumen konzentrierte, kehrte sie auf die A-Festival-Bühne zurück und gewann in Venedig prompt den Silbernen Löwen für die Beste Regie.
Frauen spielen in ihrem neuen Werk allerdings nur eine Nebenrolle: Rose Gordon (gespielt von Kirsten Dunst) wird in den Beziehungskonstellationen dieses zwei Stunden lang in demonstrativer Langsamkeit dahinplätschernden Western-Kammerspiels immer wieder an den Rand gedrängt. Der Fokus der Regisseurin liegt diesmal eindeutig auf toxischer Männlichkeit, die von Phil Burbank (Benedict Cumberbatch) verkörpert wird. In aller Überdeutlichkeit schreien uns Regisseurin und Hauptdarsteller in vielen Einstellungen entgegen, was für ein widerwärtiges Ekelpaket dieser Typ ist. Schnell wird klar, dass seine boshaften Attacken gegen alle anderen Filmfiguren und sein hypermaskulines Auftreten in ungewaschener Cowboy-Kluft nur seinen Schmerz und seine Unsicherheit überspielen sollen. Sigmund Freud hätte seine helle Freude daran, wie dieser Protagonist aus der gleichnamigen Romanvorlage von Thomas Savage seine Homosexualität verdrängt, sich in ein Zerrbild von Maskulinität hineinsteigert und darin einpanzern will.
Mit allen Mitteln des unangenehmen Over-Actings pinselt Cumberbatch diesen Erzählstrang des Plots aus. Ansonsten deutet die Regisseurin vieles nur an. Radikal entschleunigt lässt sie die Kamera über die Bergwelten Neuseelands gleiten (die Handlung von Roman und Film spielt allerdings im Montana der 1920er Jahre). Minutenlang passiert scheinbar nichts, auf die kleinen, beiläufigen Details gilt es zu achten, während die Musik von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood nervös dräut und Burbank alias Cumberbatch seine Terror-Show abzieht.
Ungewöhnlich ist, wie stark Stoffe und Materialien aufgeladen werden: das Leder der Cowboy-Kluft, Halstücher als Erinnerungen an verflossene Liebe und die gegerbten Kuhhäute werden auffällig-unauffällig ins Bild gerückt. Die Textilien werden zärtlich berührt, gestreichelt, zum Fetisch erhoben und neben den Aggressionen des Hauptdarstellers zum Leitmotiv dieser zwei Streaming-Stunden.
Campion macht es auch sichtlich Freude, die Erwartungen des Publikums an das Genre ins Leere laufen zu lassen. So wird Peter Gordon (Kodi Smit-McPhee) früh als androgyner, sensibler Gegenpol zum waldschratig-brutalen Phil gezeichnet, der so überhaupt nicht in diese Western-Welt passt und deshalb das ideale Mobbing-Opfer zu sein scheint. Unvermittelt entwickelt sich aber eine Freundschaft zwischen diesen so ungleichen Männern, die im Zentrum dieser Kammerspiel-Studie über toxische Männlichkeit in all ihren Varianten steht.
Nach der Venedig-Premiere startete „The Power of the Dog“ am 18. November 2021 in einigen Kinos und am 1. Dezember 2021 auf Netflix. Mit sieben Nominierungen ging der Film als einer der großen Favoriten in die Golden Globe-Gala 2022, er konnte dort immerhin drei Auszeichnungen gewinnen: für das beste Drama, Jane Campion für die beste Regie und Kodi Smit-McPhee als bester Nebendarsteller. Bei den Oscars kam „The Power of the Dog“ gar auf 12 Nominierungen, es gab jedoch nur eine weitere Trophäe für die Regie von Jane Campion, die als dritte Frau in der Academy-Geschichte in dieser Kategorie gewann.
Bilder: Netflix