Trouble Every Day

Mehr als zwanzig Jahre nach der Premiere in Cannes (außer Konkurrenz) kam der bildgewaltige Arthouse-Horrorfilm „Trouble Every Day“ endlich in die deutschen Kinos: die französische Autorenfilmerin Claire Denis parallelisiert die Geschichten zweier obsessiver Liebender, deren Küsse zu Bissen werden. Sie saugen ihre Liebhaber aus, lassen sie zuletzt blutverschmiert zurück.

Vincent Gallo, eines der markantesten Gesichter des US-Indie-Kinos der 1990er Jahre, um den es zu Beginn des neuen Jahrtausends stiller wurde, ist mit seinem stechenden Blick und seiner stets Verlorenheit ausstrahlenden Aura eine glänzende Besetzung für den frischverheirateten Mediziner Shane, der sein tödliches Begehren wissenschaftlich einhegen und rationalisieren will und die Hochzeitsreise nach Paris nutzt, um Rat bei einem Kollegen zu suchen. Dieser Kollege Leo (Alex Descas) hält seine Freundin Coré (Béatrice Dalle) wie ein Tier in einem Verschlag, aus dem sie dennoch immer wieder ausbricht und neue Opfer ihrer Lust findet.

Die elliptische Erzählweise und der langsame Rhythmus zum melancholischen Soundtrack der Tindersticks, mit denen Claire Denis regelmäßig zusammenarbeitet, machen es dem Publikum nicht einfach, einen Zugang zu diesem Werk zu finden. Die radikalen Bilder von Kamerafrau Agnès Godard und Regisseurin Claire Denis, mit denen sie den Blutrausch von Coré schildern, gehören jedoch zu den eindrucksvollsten Leinwanderlebnissen des Kino-Jahres.

Sofia Glasl hob in ihrer SZ-Kritik zurecht hervor, wie bahnbrechend dieser Film ist. Claire Denis ebnete den Weg für jüngere Filmmacherinnen wie Julia Ducournau, die genau zwanzig Jahre nach „Trouble every day“ mit ihrer Body-Horror-Fantasie „Titane“ als zweite Frau in der Geschichte des Festivals die Goldene Palme von Cannes gewann.

Angesichts dieser Verdienste und früherer Arbeiten ist es auch zu verschmerzen, dass Denis im Wettbewerb der Berlinale mit „Avec amour et acharnement“ einen belanglosen Flop ablieferte, in dem Juliette Binoche und Vincent Lindon das Publikum mit einer banalen Dreiecksgeschichte quälten. Dieser Film fiel in einem mäßigen Berlinale-Wettbewerb besonders negativ auf.

Am 3. März 2022 brachte der Verleih Rapid Eye Movies „Trouble Every Day“ in restaurierter Fassung erstmals in die deutschen Kinos.

Bild: Rapid Eye Movies

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