Fast anderthalb Stunden wird in Christopher Rüpings Inszenierung „Das neue Leben“, die im September die Spielzeit im Schauspielhaus Bochum und nun auch das Theatertreffen im Haus der Berliner Festspiele eröffnete, postdramatisch getänzelt und gewitzelt.
Als „tiefenentspannt“ beschrieb tt-Juror Matthias Balzer den Abend und eine Weile ist es auch ganz amüsant, dem launigen Treiben des Quartetts auf der Bühne zuzusehen: William Cooper, Anna Drexler, Damian Rebgetz und Anne Rietmeijer tragen schwärmerische Sonette vor, die Dante Aligheri seiner Geliebten Beatrice schrieb. Zwischendurch streuen sie sehr eigenwillige Interpretationen von Popklassikern und Rock-Balladen von Whitney Houston über Meat Loaf bis Britney Spears, die sie mehr sprechen als singen. Auch das mag phasenweise ganz charmant sein. Für die Musik gab es auch im Herbst 2022 einen FAUST-Preis für Paul Hankinson und Jonas Holle.
Während der Abend zunächst noch plätscherte, tröpfelt er aber schließlich nur noch und droht ganz zum Stillstand zu kommen. Ein merkwürdiger Kontrast zu den beiden energiegeladenen, Seitenhiebe austeilenden, zum Teil regelrecht aufgekratzten Eröffnungsreden von Yvonne Büdenhölzer, die ihren Abschied als Chefin des Theatertreffens einläutet, und von Claudia Roth, die erstmals als Kulturstaatsministerin dabei ist.
Vom Schwung dieses Anfangs ist aber nach achtzig Minuten auf die Bühne längst nichts mehr zu spüren. Die Türen klappern und wir erleben das von Christopher Rüping vor seiner Hamburger Brüste und Eier-Premiere beklagte Phänomen des Publikumsschwunds hautnah mit. An Corona oder dem Krieg in der Ukraine, die auf Twitter als Erklärungsfaktoren für den schleppenden Verkauf bemüht wurden, hat es nun wohl kaum gelegen, dass vor allem in den hinteren Reihen immer mehr Zuschauer*innen vorzeitig gingen.
Mit einer Licht- und Nebelschwaden-Effekt-Show versucht Rüping das Ruder noch herumzureißen. Wir erleben minutenlanges Muskel-Posing der Gewerke und L´art pour l´art, die das Inferno symbolisieren und den Technikabteilungen von Schauspielhaus Bochum und Berliner Festspiele sicher einiges abverlangten, wie bei der Preisverleihung mehrfach betont wurde. All dieser vergossene Schweiß sorgt aber nicht dafür, dass dieser bis dahin belanglose Abend noch mal zu großer Form auflaufen würde.
Viviane De Muynck, eine flämische Spielerin, die vor allem mit der Needcompany von Jam Lauwers bekannt wurde, kommt zum Finale mit auf die Bühne. Im Purgatorium trifft das gut gelaunte Quartett auf die gealterte Version der Beatrice. Man tauscht noch einige Lebensweisheiten, Kalendersprüche und ironische Gags auf, bevor sich ein schöner Schmetterlings-Baldachin über den Köpfen entfaltet und das Ensemble mit „Eine gute Nachricht“ von Danger Dan das Publikum in den Garten vor dem Festspielhaus entlässt.
Bild: Joerg Brueggemann / Ostkreuz
Vladimir Pajovic
Fully agree with all what you wrote. Also, what was the reason that we in audience were almost all the time under full light? I don’t get what he wanted with it.