Les Troyens

Zwei Welten prallen hier aufeinander: Hector Berlioz erzählt in einer fünfstündigen Monumental-Oper von Aeneas, der als trojanischer Prinz nach Karthago flüchtet, seine Geliebte Dido zurücklässt und zum Stammvater des römischen Imperiums wird.

Für die Trojaner entwarf Olivier Bériot graue Mönchskutten: wie die Hohenpriester eines frömmelnden Gottesstaats tritt der Chor in diesen Szenen auf. Ganz anders ist die Stimmung, sobald die Szenerie nach Karthago wechselt. Hier verzichteten der Regisseur Christophe Honoré und sein Kostümbildner über weite Strecken komplett auf Kostüme. Die Männer räkeln sich in FKK-Posen am Pool, den Bühnenbildnerin Katrin Lea Tag als „Garten der Lüste“ in ihr ansonsten karges Beton-Bühnenbild eingelassen hat.

Mit Spannung wurde diese erste Opern-Inszenierung des französischen Star-Regisseurs Christophe Honoré in Deutschland erwartet: Dass er aber eigentlich vom Film kommt und dort auch mit der Cannes-Einladung seines HIV-Dramas „Sorry Angel“ seine größten Erfolge feierte, wird an diesem langen Abend deutlich: Honoré fremdelt mit der Gattung Oper und vor allem mit diesem konkreten Werk „Les Troyens“ aus der französischen Romantik des 19. Jahrhunderts. Aus der Zeit gefallen wirkt, dass die beiden zentralen Frauen-Figuren Cassandre/Kassandra (Marie-Nicole Lemieux) und Didon/Dido (Ekaterina Semenchuk) hier tragische Opfer sind, die ihr Schicksal erdulden müssen, während der Held Enée/Aeneas (Gregory Kunde) seinen Ego-Trip unbeirrt fortsetzt. Über seine Irritation darüber sprach der Regisseur auch im umfangreichen, sehr informativen Programmheft der Bayerischen Staatsoper.

Wie wenig Honoré mit der Oper anfangen konnte, die viele Massenszenen, aber kaum dramaturgische Höhepunkte und musikalische Hits aufweist, zeigt sein sehr karger Inszenierungsstil, der schon an Arbeitsverweigerung grenzt, wie die SZ kritisierte: „Die Solisten machen all das, was die Abwesenheit von Personenführung an uninspirierten Gesten und Gängen hergibt.“ Vor allem die ersten beiden Akte sind recht zäh. Viel wohler fühlt sich Honoré auf heimischem Terrain: im 4. Akt werden mehrere Video-Sequenzen eingespielt, die der Filmemacher in seiner Heimat mit französischen Darstellern dreht. Eine Triggerwarnung weist darauf hin, dass die Aufführung wegen ihrer expliziten Inhalte erst ab 18 Jahren empfohlen ist. Die Szenen, mit denen Honoré die Laszivität von Karthago unterstreicht, sind aber sinnlich und nicht pornographisch, so dass empörte Zwischenrufe wie noch bei der Premiere diesmal ausblieben.

Gefeiert wurde vor allem das Orchester unter Leitung von Daniele Rustioni aus Mailand, aber auch die drei wichtigsten Solist*innen bekamen langanhaltenden Applaus.

Bild: Wilfried Hösl

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