Sichtlich auf den internationalen Markt zielt Edward Bergers Netflix-Verfilmung des Anti-Kriegs-Romans „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Zu dröhnenden Bässen (Musik: Volker Bertelmann) zeigt der überlange Film das Elend im Schlamm der Schützengräben.

Felix Kammerer, der während seines Studiums an der HfS Ernst Busch in Berliner Theater-Inszenierungen dabei war und am Wiener Burgtheater sein erstes Engagement antrat, spielt die Hauptrolle des Abiturienten Paul Bäumer. Die nationalistische Begeisterung, mit der die Lehrer eine Generation anspornten, sich als Kanonenfutter zu melden, wird in wenigen Szenen nur angerissen. Von der Atmosphäre der Musterung der Rekruten in einer Turnhalle fängt „Im Westen nichts Neues“ auch kaum etwas ein, die Szenen aus der TV-Produktion „Die Freibadclique“ dürften der historischen Wahrheit näher kommen.

Berger und sein Team konzentrieren sich ganz darauf, die Brutalität des Krieges ins Bild zu rücken. Auf der großen Leinwand wirken die Schlachtenszenen eindrucksvoll. Aber „hier wird die Kunst mal wieder dem üblichen Netflix-Brimborium geopfert, weil die Zuschauer es gewohnt sind, dass es ordentlich rumst und ständig die Uhr tickt“, kritisierte David Steinitz in der SZ. „Schlamm, Blut, Knochen und Hirnmasse“ fliegen den jungen Soldaten und dem Kino-Publikum um die Ohren. Sobald man unter der Überwältigungsästhetik kratzt, bietet der Film aber nichts Neues, sondern nur die altbekannte Botschaft vom Grauen des Krieges, die geradezu katalogmäßig vorgeführt werde, wie Andreas Kilb in der FAZ beklagte.

Die deutlichste Abweichung von der berühmten Roman-Vorlage gestattet sich Berger, wenn er als Parallelhandlung die Versuche des Zentrums-Politikers Matthias Erzberger einbaut, einen Waffenstillstand auszuhandeln. David Brühl muss sich durch diese Rolle schwäbeln. Mit Albrecht Schuch als analphabetischer Soldat Stanislaus Katczinsky im Schützengraben ist auch noch ein zweiter Star des deutschen Kinos an Bord.

Kurz nach der Premiere in Toronto wurde „Im Westen nichts Neues“ bereits als deutscher Oscar-Kandidat nominiert. Mit seinen Schauwerten, die ihm bereits zwei Europäische Filmpreise für das beste Maskenbild und die visuellen Effekte einbrachten, erfüllt er tatsächlich zentrale Kriterien dieser Hollywood-Gala und konnte sich über vier Oscar-Trophäen freuen: bester fremdsprachiger Film, beste Kamera, beste Filmmusik und bestes Produktionsdesign. Nur „Everything Everywhere All at Once“ war mit 7 Auszeichnungen noch erfolgreicher.

Im Mai 2023 folgten noch 7 Lolas: für Felix Kammerer als besten Hauptdarsteller, Albrecht Schuch als besten Nebendarsteller, für die beste Kamera/Bildgestaltung, die Filmmusik, das Szenenbild, das Maskenbild, die Tongestaltung sowie für die besten visuellen Effekte.

Bilder: Rainer Bajo

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert