Armageddon Time

Mit dem Titel seines neuen Films führt James Gray sein Publikum in die Irre. „Armageddon Time“: wer würde da nicht ein großes Action-Spektakel erwarten, einen Entscheidungs-Kampf zwischen Gut und Böse?

Stattdessen bot er im Frühjahr in Cannes einen melancholischen, offensichtlich autobiographisch geprägten, stillen Film über seine Kindheit in New York 1980/81. Das Alter ego des Regisseurs ist Paul Graff (Banks Repeta), der in der Schule hinterhinkt, weil er lieber seinen Träumen nachhängt, zeichnet oder mit seinem Freund Johnny Davis (Jaylin Webb) Streiche ausheckt.

„Armageddon Time“ (deutscher Verleihtitel: „Zeiten des Umbruchs“) erzählt vom Druck auf den Jungen, den seine ehrgeizigen Eltern (Anne Hathaway und Jeremy Strong) ausüben. Nach dem Trauma des Holocausts und anhaltendem Antisemitismus bläuen sie ihm ein: Leistung und Disziplin! Er soll doppelt so hart arbeiten und so gut sein wie die anderen, um sich durchzusetzen. Der liebevolle Gegenpol zu den überforderten, gefühlskalten Eltern ist der Opa (Anthony Hopkins). Leitmotivisch durchziehen die idyllischen Opa/Enkel-Momente den Film.

„Armageddon Time“ erzählt aber auch vom Rassismus und den Klassenschranken in den USA: die Lebenswege von Paul und seinem schwarzen Freund Johnny trennen sich. Paul landet auf der teuren Privatschule, die Donald Trumps Vater Fred sponsert und in der seine Schwester Maryanne (Jessica Chastain) einen zynischen Kurzauftritt hat, in dem sie predigt, dass man durch harte Arbeit den „American Dream“ verwirklichen könne. Johnny landet auf der Straße und nach einem gemeinsamen Einbruch im Gefängnis, während Paul von seinem Vater mithilfe privater Beziehungen rausgeboxt werden kann.

„Armageddon“ kommt nur einmal kurz vor: in einer Wahlkampf-Rede des Western-Helden Ronald Reagan, der vor Sodom und Gomorrha warnt und das Armageddon ankündigt. Als er die US-Präsidentschaftswahl gewinnt, ist die Familie Graff erschüttert, die Mutter befürchtet einen Atomkrieg.

James Gray gelingt nach seinem meditativen Weltraum-Drama „Ad Astra“ ein sehr persönlicher, kleiner Film, der jeweils rechtzeitig die Kurve bekommt, bevor er zu rührselig zu werden droht.

Bild: Universal Pictures International Germany

 

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