In der ersten Hälfte überrascht Eva Webers Porträt „Merkel – Macht der Freiheit“ mit einigen raren Archivaufnahmen aus der Frühphase dieser ungewöhnlichen Politikerinnenkarriere, die auch für ein deutsches Publikum interessant sind, die mit der Kanzlerin a.D. und ihrer Arbeit seit langem vertraut sind.
Aber der Fokus und die Zielgruppe der Dokumentarfilmerin sind ein anderer: seit mehr als drei Jahrzehnten lebt Weber in London. Auf ein britisches und US-amerikanisches Publikum zielt auch die erlesene Riege der Ex-Politiker wie Tony Blair, Hillary Clinton oder Condolezza Rice und der Obama-Berater, die das in den vergangenen zehn Jahren oft gezeichnete Bild einer Frau wiederholen, die auf der Weltbühne großes Ansehen genoss und trotz ihrer unprätentiös und bescheidenen Art den märchenhaften Aufstieg einer jungen Frau aus dem untergegangenen Sozialismus zu einer der mächtigsten Politikerinnen schaffte.
Mit viel Pathos, das vor allem im Schlussdrittel den Erkenntnisgewinn überlagert, feiern die anglo-amerikanischen Gesprächspartner die Kanzlerin a.D., mit entsprechendem Bildmaterial von ihren Auftritten im US-Kongress 2009 oder an der Harvard University 2019 unterlegt Weber die Thesen.
„Merkel – Macht der Freiheit“ zeichnet ein sehr wohlwollendes, rosiges Bild einer langen Ära. Im SZ-Feuilleton legte Cornelius Pollmer in seiner „Merkel Cinematic Universe“-Rezension den Finger in die Wunde: Die Schattenseiten wie die Abhängigkeit von Russlands Energielieferungen werden nur kurz angetippt, schnell geht es zu erfreulicheren Themen, die Merkel wieder in positiverem Licht dastehen lassen.
Bild: © Jock Fistick / ProgressFilmverleih