Einen der beiden Hauptdarsteller hat Regisseur Lucas Dhont während einer Zugfahrt entdeckt. Nach vielen Casting-Runden an Schulen war diese Zufallsbegegnung ein echter Glücksfall für den Film.
Dhonts zweiter Film „Close“ lebt vom Zusammenspiel seiner beiden jugendlichen Hauptdarsteller: Eden Dambrine als Léo und Gustav De Waele als Rémi spielen überzeugend zwei scheinbar unzertrennliche beste Freunde, die fast ihre komplette Freizeit miteinander verbringen und auch ganz selbstverständlich eng aneinandergekuschelt im selben Bett schlafen.
Ihr seid doch mehr als nur beste Freunde? Ihr seid doch ein Paar? Die Mitschülerinnen an der neuen Schule stellen diese Fragen ganz offensiv: Léo streitet vehement ab, Rémi steht stumm daneben. Doch die Beziehung bekommt einen Knacks. Stück für Stück entfremdet sich Léo von Rémi: er dreht sich weg, als beide auf dem Rasen liegen und sein Freund den Kopf auf seinen Bauch bettet, er schläft bei den gewohnte Übernachtungen lieber auf dem Boden als im selben Bett. Statt mit Rémi, der zum Außenseiter wird, unterhält sich Léo lieber mit den anderen Jungs über Fußball oder geht zum Eishockeytraining.
Ohne viele Worte, aber mit sehr präzisen kleinen Gesten hat Lucas Dhont diesen Entfremdungsprozess meisterhaft choreographiert. Der ins Abseits geratene Rémi nimmt sich das Leben und hinterlässt nicht nur eine Leerstelle in Léos Leben, sondern auch im Film. Die zweite Hälfte ist nicht mehr so überzeugend und stringent. In den Dialogen zwischen Léo und Rémis Mutter Sophie (Émilie Dequenne) wirkt vieles nicht mehr so selbstverständlich und stimmig wie im ersten Teil. Fragen, die sich aufdrängen, werden spät gestellt.
In Cannes feierte Lucas Dhont nach seinem Debüt-Hit „Girl“ (2018) auch mit seinem zweiten Film „Close“ einen Triumph. Er durfte sich über eine Silberne Palme und den Großen Preis der Jury freuen, den er sich mit Claire Denis („Stars at Noon“) teilt. Anschließend wurde „Close“ auch in Hamburg und Sydney ausgezeichnet und von Belgien ins Oscar-Rennen für den besten nicht-englischsprachigen Film geschickt. Als eines der Highlights der Französischen Filmwoche lief „Close“ schon diese Woche im Cinema Paris in Berlin, Pandora will ihn Ende Januar 2023 ins Kino bringen. Zwischen diesen beiden Terminen konkurrierte „Close“ auch um den Europäischen Filmpreis, ging aber trotz zwei Nominierungen (in der Kategorie als bester Film und mit Eden Dambrine als bestem Hauptdarsteller) leer aus.
Bild: ©Kris Dewitte