Und jetzt?

Um einem Pollesch-Abend folgen zu können, empfiehlt es sich normalerweise, auf dem neuesten Stand soziologischer und feministischer Diskurse zu bleiben. Anders bei „Und jetzt?“: diese langjährigen Lieblingsthemen des Volksbühnen-Intendanten spielen in der neuesten Arbeit keine sichtbare Rolle. Stattdessen widmet sich René Pollesch seit einiger Zeit der Geschichte des Hauses, insbesondere der Intendanz von Benno Besson, der die Bühne am Rosa Luxemburg-Platz und die Theatergeschichte der DDR in den 1960er und 1970er Jahren prägte. Schon vor einem Monat ließ er Katharina Thalbach einen Erinnerungs-Abend für ihren Vater ausrichten.

Auf Anna Viebrocks betont abgerissener Bühne, die sie um ein vor sich hin rostendes Schwimmbecken gebaut hat, tauchen Pollesch und seine drei Spieler in die Vorgeschichte der ersten Inszenierung unter Bessons Intendanz ein: Heiner Müller adaptierte eine Inszenierung des Arbeitertheaters im PCK Schwedt, das in der aktuellen Gas- und Energiekrise so viele Schlagzeilen schrieb, da diese Raffinierie von der „Druschba“-Pipeline aus Russland besonders stark abhängig war. Auf die Tagespolitik nimmt der Abend jedoch an keiner Stelle direkten Bezug.

In dem knapp anderthalbstündigen extrem verqualmten Pingpong fläzen Franz Beil, Milan Peschel und Martin Wuttke in Arbeiterkluft auf alten Plastikstühlen und tauschen Anekdoten über Agitprop-Theater und die legendäre Inszenierung aus. Statt wie üblich mit ihren echten Namen sprechen sie sich als Hans-Jürgen, Heinz und Klaus ein.

Doch die Theatergeschichte ist nur die Hintergrundfolie für ein Spiel der beiden Volksbühnen-Altstars mit Beil als Side-Kick: zwischen einer Partie Federball und viel Slapstick albern sie nach Lust und Laune herum. Je länger der Abend geht, desto häufiger belagern sie die Souffleuse, die wie in jeder Pollesch-Inszenierung mit ihrem Textbuch auf der Bühne präsent ist. Die Gags sind nicht immer taufrisch: in einer in zahlreichen Loops ausgereizten Szene machen sie sich über den Aberglauben in der Theaterblase lustig, dass man den Titel des „Schottenstücks“ nicht aussprechen darf, weil darauf ein Fluch laste. X-mal wird Martin Wuttke von einschlagenden Blitzen durchgeschüttelt. Ein großer Teil des Publikum hatte Spaß an der Spielfreude des Trios, inhaltlich war „Und jetzt?“ einer der dünneren Pollesch-Abende.

Bild: © Apollonia T. Bitzan

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