Als skurril und verschroben charakterisierten einige Kritiken den Humor in Aron Lehmanns Bestseller-Verfilmung „Was man von hier aus sehen kann“. Tatsächlich dauert es eine Weile, bis man sich an den eigenwilligen Ton dieser Aneinanderreihung merkwürdiger Begebenheiten und schräger Figuren gewöhnt hat.
Im Zentrum des Films steht Corinna Harfouch, die in diesem Theater- und Kinojahr ein Faible für ungewöhnliche Gestalten entwickelt hat und dabei auch vor Tiefpunkten wie der Titelrolle in Christian Weises „Queen Lear“ am Gorki Theater nicht zurückschreckte. In „Was man von hier aus sehen kann“ versetzt sie regelmäßig ein ganzes Dorf in Angst und Schrecken: Wann immer Oma Selma von einem Okapi, einer afrikanischen Zwerg- und Waldgiraffen-Art, träumt, stirbt in den nächsten Tagen ein Dorfbewohner.
Um diese Grundidee ranken sich kleine Miniaturen, die von den Lebenslügen und kleinen Geheimnissen der Menschen in diesem Provinznest im Westerwald erzählen. Ein zentraler Strang sind die Stimmen im Kopf des Optikers (Karl Markovics), die ihn durch wildes Durcheinanderreden ausbremsen, wann immer er einen neuen Anlauf nimmt, Selma seine Liebe zu gestehen, so dass die Liebesbriefe spätestens nach wenigen Zeilen in der Schublade landen. Ähnlich tastend umwerben sich Selmas Enkelin Luise (Luna Wedler als zweite Hauptfigur) und ein aus der hessischen Region um die Mainkloake stammender buddhistischer Mönch (Benjamin Radjaipour), die sich bei der Suche nach dem entlaufenen Hund Alaska erstmals begegnen.
Aron Lehmanns Verfilmung (Regie und Drehbuch) des gleichnamigen Romans von Mariana Leky, der 29017 erschien, prägt ein leiser, tragikomischer Humor: der Tod ist hier stets nah, manche erfasst er so früh wie Luises Kindheits-Freund Martin (Cosmo Taut), manche leben doch stoisch weiter wie die traurige Marlies (Rosalie Thomass), obwohl sie ihren Mitmenschen bei jeder Gelegenheit ihren Lebensüberdruss entgegenbrüllt.
In seiner heiteren Melancholie passt „Was man von hier aus sehen kann“ gut in die Zeit zwischen den Jahren, in der die Alltagsroutinen aufgehoben sind und die Gesellschaft in einem lethargischen Schwebezustand zwischen Gänsebraten und Silvesterknallern vor sich hindämmert.
Deshalb war der 29. Dezember 2022 eine gute Wahl für den Kinostart.
Bild: Studiocanal GmbH Filmverleih