Eines langen Tages Reise in die Nacht

Die vier klammern sich aneinander. Immer wieder kommt die Familie Tyrone in einer laokoonhaften Verflechtung vorne an der Rampe zusammen, leitmotivisch zieht sich diese Choreographie durch Torsten Fischers Inszenierung im Berliner Schlosspark Theater. Sie suchen aneinander Halt und engen sich vor allem gegenseitig ein.

Alle vier gehen gemeinsam unter. In seinem autobiographisch geprägten, erst posthum veröffentlichten und Pulitzer-prämierten Drama „Long Day’s Journey into Night/Eines langen Tages Reise in die Nacht“ lamentieren und beschimpfen sich Mutter Mary, Vater James und die beiden Söhne James jr. und Edmund. Vier Stunden dauerte Andrea Breths gewohnt originaltreue Inszenierung mit Bühnen- und Filmstars am Wiener Burgtheater, in Berlin-Steglitz wurde der Klassiker auf die Hälfte der Zeit gekürzt, bewahrt aber den Kern der Familienschlacht-Dynamik.

Einiges an Prominenz hat auch diese Bearbeitung zu bieten: Judith Rosmair, lange in den Ensembles großer Häuser wie dem Hamburger Thalia Theater und der Schaubühne engagiert und 2007 für ihre Rolle der Gudrun Ensslin in Nicolas Stemanns „Ulrike Maria Stuart“ zur Schauspielerin des Jahres gekürt, spielt die drogensüchtige Mutter, die sich in Traumwelten flüchtet und die schlimmen Botschaften nicht wahrhaben will. Sie setzt dem Wüten und Brüllen der Männer die leiseren Töne entgegen. An ihrer Seite spielt Peter Kremer, bekannt aus der ZDF-Krimireihe „Siska“, den Vater James Tyrone, der längst vergangenen Auftritten als „Othello“ nachtrauert. Die Söhne spielen Igor Karbus, der einige Jahre im Josefstadt-Ensemble seiner Heimatstadt Wien spielte, und Fabian Stromberger, der dem Berliner Publikum seit seiner Titelrolle in der „Faust“-Inszenierung (2015) von Robert Wilson an Claus Peymanns Berliner Ensemble bekannt ist.

Unangenehm verqualmt ist die erste Hälfte vor der Pause, anschließend kommt das Familiendrama mit vielen Zweier-Duellen richtig in Fahrt, leidet aber darunter, dass ein notorischer Störer den Abend begleitete. Anfangs war sein Stöhnen, Seufzen, Brummen und Kommentieren noch ein passender Off-Kommentar, war er doch offensichtlich mindestens so kaputt wie die Figuren auf der Bühne. Im Lauf der Inszenierung, bei der auch Hausherr Dieter Hallervorden im Publikum saß, störte er immer mehr, Entgegnungen aus dem Publikum spornten ihn erst recht an. Mit stoischer Gelassenheit spielte das Ensemble weiter und ignorierte ihn. Schauspieler mit anderem Temperament hätten ihn zur Schnecke gemacht, an der Volksbühne wäre dem Störer so ein Verhalten ganz schlecht bekommen.

Bilder: DERDEHMEL/Urbschat

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