Danse Macabre

Mit Punkrock entern die Dakh Daughters aus Kiew die Bühne. So habe ich sie auch an einem Sommerabend 2019 in der Box des Deutschen Theaters Berlin kennengelernt.

Krieg herrschte bereits damals im Osten der Ukraine. Doch die Situation hat sich seitdem dramatisch verändert: Wladimir Putin nahm sich bekanntlich vor, Russland die gesamte Ukraine einzuverleiben und auch auf die Hauptstadt vorzurücken. Die Schauspielerinnen und Performerinnen flüchteten zuerst in den äußersten Westen des Landes, dann nach Frankreich, wo sie im Juni 2022 erstmals ihre Totenmesse für die Opfer von Butscha und Irpin im Pariser Odéon präsentierten.

Von der rotzigen Latzhosen-Attitüde, mit der sie vor vier Jahren auftrumpften, ist bis auf kurze Anklänge im Intro nichts geblieben. „Danse macabre“ ist ein Abend, der seinen Schmerz herausschreit und von Regisseur Vlad Troitskyi und seinen performenden Musikerinnen unmittelbar unter dem Schock des Angriffs und der Flucht erarbeitet wurde.

Zwischen die Berichte von Vergewaltigungen und Erschießungen ist leitmotivisch die biblische Hiob-Figur eingeflochten. Überdeutlich ist die Bildsprache des Abends: mit Rollkoffern irren die Frauen über die Bühne, kauern zum Schluss vor flackernden Grabkerzen.

Ein Aufschrei und ein politisches Manifest will dieser Abend sein: die seit Monaten allgegenwärtige blau-gelbe Flagge wird ausgerollt, unter „Slava Ukraini“-Rufen danken die Dakh Daughters dem Publikum für die westliche Solidarität mit ihrer Heimat.

In der Gaußstraße, der kleineren Bühne des Thalia Theaters Hamburg, war dieser Abend am Eröffnungs-Wochenende der Lessingtage erstmals zu sehen. Am 12. März wird er das Radar Ost-Festival beschließen, das Birgit Lengers seit 2018 für das Deutsche Theater Berlin kuratiert.

Bilder: Oleksandr Kosmach

 

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