Der lange Schlaf

Der Corona-Lockdown im März 2020, als das öffentliche Leben weltweit für einige Wochen fast zum Erliegen kam und sich die Natur erstaunlich schnell von den Belastungen der globalisierten Warenströme und Flugreisen erholte, brachte den australischen Dramatiker Finegan Kruckemeyer auf eine Idee für sein neues Drama: Wäre ein kollektiver Dämmerzustand für einen längeren Zeitraum ein Ausweg aus dem Klimakollaps?

Kruckemeyer verlegt die Handlung seines Gedankenspiels ins Jahr 2030, die Regierungen planen Mars-Missionen, da die Erde zunehmend unbewohnbar wird. Eine Referentin stellt ihre Idee zur Diskussion, die gesamte Menschheit mit einem Schlafgas für ein Jahr in ein künstliches Koma zu schicken. Wenn Tiere und Pflanzen die Chance zur Regeneration genutzt haben, werden die Menschen nach einem Jahr aufwachen.

Das Problem an diesem interessanten Konstrukt, das 2021 in Adelaide uraufgeführt wurde und vor zwei Wochen als deutschsprachige Erstaufführung am Schauspielhaus Hamburg herauskam, ist, dass die Figuren zu sehr wie Thesenträger wirken. Philipp Stölzls Stärke, mit einem großen Ensemble sehr lebendige Tableaus zu schaffen, kommt hier zu wenig zur Geltung. Zu hölzern sind die Dialogszenen in Bogotá, Duschanbe, Lagos oder Los Angeles, zwischen denen die Handlung hin und her springt. Ein erzählerischer Netflix-Sog, wie er Stölzl in seiner zum Theatertreffen eingeladenen Münchner Inszenierung „Das Vermächtnis“ gelang, stellt sich diesmal nicht ein.

Wenige schauspielerische Akzente kann das Ensemble in diesem Thesenstück zum Klimakollaps sitzen. Josef Ostendorf hat einen kleinen Auftritt als ältere Dame im Seniorenheim in Bogotá. Richtig auf Betriebstemperatur kommt der Abend nur in der längeren Szene nach der Pause: bei zwei Menschen wirkte das von den Regierungen versprühte Schlafmittel wegen ihrer Lungen-Vorerkrankungen nicht. Maggie (Lina Beckmann) trifft auf Pete (Mehmet Ateşçi), sie stalkt ihn, da sie es für Vorsehung hält, dass die beiden als einzige Menschen wach blieben, zeigt ihm stolz ihr Raubgut aus den Villen der Schläfer und drängt ihn, seine Familie zu verlassen. Das tolle Schauspiel-Duo Ateşçi/Beckmann spielt die ganze Tragikomik ihrer Figuren aus, bevor der Abend wieder in Thesentheater zurückdämmert.

Bilder: Knut Koops

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