Zwei Überraschungen bietet Christian Petzolds „Roter Himmel“. Zum 6. Mal ist er bereits in den Berlinale-Wettbewerb eingeladen, schon zu Dieter Kosslicks Zeiten war er Stammgast, Carlo Chatrian setzte diese Tradition mit Undine und dem aktuellsten Werk fort.
Die erste Überraschung ist, wie unterhaltsam und komödiantisch diese Ostsee-Feriengeschichte über weite Strecken daherkommt. In einem heruntergekommenen Ferienhaus an der Ostsee trifft das sehr ungleiche Duo Leon (Thomas Schubert) und Felix (Langston Uibel) überraschend auf die Saisonkraft Nadja (Paula Beer) und ihren kraftstrotzenden Liebhaber, den Rettungsschwimmer Devid (Enno Trebs).
An eine französische Sommerkomödie von Eric Rohmer erinnert dieser Part des Films: schöne junge Menschen genießen ihre Jugend und die Leichtigkeit des Sommers, wechseln die Partner und hängen ihren Träumen. Schlechte Laune hat nur Leon: er quält sich durch das Manuskript seines zweiten Romans, das völlig missglückt ist, wie ihm sein Verleger (Matthias Brandt) klarmachen muss.
Die zweite Überraschung ist, dass nicht Paula Beer, als Nachfolgerin seiner langjährigen Hauptdarstellerin Nina Hoss die zentrale Protagonistin des letzten Petzold-Films „Undine“, die Hauptrolle spielt, sondern Thomas Schubert das Zentrum dieser Ostsee-Komödie ist. Mit durchschimmerndem Wiener Schmäh grantelt er durch den Tag. Mit winzigen Gesten, kurzen Blicke, hochgezogenen Augenbrauen und ein paar hingebrummten Kommentaren macht er die Unsicherheit seiner Figur kenntlich.
Im letzten Drittel kippt „Roter Himmel“ dann in existentielles, durch Krebs und Waldbrände allzu überfrachtetes Drama, das gerne große griechische Tragödie wäre, hier aber doch eher einem überambitionierten TV-Fernsehspiel gleicht. Immerhin durfte das Kinopublikum sich bis dahin an einem ungewohnt heiteren Filmerlebnis freuen. Selten wurde im Berlinale-Wettbewerb so viel gelacht, schon gar nicht bei Petzolds Weltschmerz-Seelenergründungs-Filmen früherer Jahrgänge. Auch die Bären-Jury unter Vorsitz von Kristen Stewart hat sich amüsiert und verlieh „Roter Himmel“ einen Silbernen Bären (Großer Preis der Jury).
Bild: Christian Schulz/Schramm Film