Die Gewerkschafterin

Opfer eines brutalen Überfalls wird Maureen Kearney gleich zu Beginn. Der so harmlos klingende Film „Die Gewerkschafterin/La syndicaliste“ beginnt mit drastischen Szenen. Die Hauptrolle übernahm Isabelle Huppert, Erinnerungen an thematisch ähnliche Bilder aus „Elle“ (2017) von Paul Verhoeven werden wach.

Während der ersten Stunde nimmt das Drama von Jean-Paul Salomé, mit dem Huppert bereits in der nur mäßig überzeugenden Komödie „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ (2020) zusammengearbeitet hat, einen ganz anderen Verlauf. Langatmig und sehr plakativ erzählt „Die Gewerkschafterin“ die Vorgeschichte dieser Gewalttat. Wir erfahren, dass es sich um eine wahre Begebenheit vor knapp 10 Jahren in Frankreich handelte. Nach dem Unglück von Fukushima und der Abwahl des konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy sahen sich die Pariser Atomkonzerne in der Defensive und streckten ihre Fühler nach China aus. Die Areva-Betriebsratsvorsitzende Kearney versuchte, ihre Beziehungen zum Team des neuen Präsidenten Francois Hollande von der Parti Socialiste spielen zu lassen, und schlug Alarm, als ihr Dokumente zugespielt wurden, dass ein massiver Stellenabbau drohe.

Sehr viel wird während dieser ersten Stunde geredet, niemand schenkt Kearney (Huppert) Gehör, es häufen sich jedoch die Drohungen. Eine schwer greifbare Rolle spielt während dieser ersten Hälfte die von Sarkozy geschasste Vorstandschefin Anne Lauvergne (Marine Foïs), die Kearney den Rücken stärkt, aber sie nur als Marionette für ihre Zwecke einzuspannen scheint.

Wesentlich besser ist die packende zweite Hälfte des Films. Der Ermittler Brémont (Pierre Deladonchamps) nimmt das Opfer ins Fadenkreuz: es gebe kaum Beweise für ihre Version. Kearney habe das alles nur erfunden. Mit psychiatrischen Gutachten über ihre Labilität setzt er Kearney so Druck, dass sie schließlich wider besseren Wissens ein Geständnis unterschreibt. Jahrelang dauert ihr Prozess, sich zu rehabilitieren.

„Die Gewerkschafterin“ entwickelt sich so doch noch zu einem sehenswerten Polit-Krimi über eine reale französische Wirtschafts- und Innenpolitik-Affäre des vergangenen Jahrzehnts. Der Film ist natürlich ganz auf seinen Star Isabelle Huppert zugeschnitten. Uraufgeführt wurde „La Syndicaliste“ in der Reihe „Orizzonti“ des Film-Festivals Venedig 2022, am 27. April 2023 startete er in den deutschen Kinos.

Bild: © Guy Ferrandis – Le Bureau Films, Heimatfilm

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