Sonne, los jetzt!

Kein Regisseur hat so viel Erfahrung mit Uraufführungen der herausfordernden Textflächen wie Nicolas Stemann. Wie er im ATT-Nachgespräch sagte, hatte er die Wahl zwischen den Klimakrisen-Stücken „Sonne“ und „Luft“ oder der Steuerverfahren-Suada „Angabe der Person“. Er entschied sich, auch wegen der Brisanz des Themas, für ersteres und spannte die Texte zu seinem Abend „Sonne, los jetzt!“ zusammen. „Angabe der Person“ überließ er Jossi Wieler und dem Deutschen Theater Berlin.

Trotz all der Jelinek-Erfahrung des scheidenden Zürcher Co-Intendanten Stemann, der sich mit vielen langjährigen Weggefährt*innen wie Daniel Lommatzsch, Sebastian Rudolph und Patrycia Ziólkowska zusammentat, ist dieser Inszenierung eine große Ratlosigkeit anzumerken. Das mag auch daran liegen, dass der Grundton leiser, melancholischer ist, als wir es von der Literaturnobelpreisträgerin gewohnt sind. Statt temporeicher Wortkaskaden, in denen sie vom Hölzchen aufs Stöckchen springt, wirkt „Sonne“ deutlich zurückgenommener, dies zeigt sich schon beim langen Einstiegs-Monolog, den Karin Pfammater im Bühnenhintergrund vorträgt.

Sie setzt auch gegen Ende noch mal einen Akzent: als Punk-Lady trat sie schon im Schweizer „Tatort“ auf, diesmal rockt sie über den „Highway to Hell“. Der Rest der um 15 Minuten auf immer noch sehr langatmige zwei Stunden gekürzten Inszenierung wirkt im unterspannten Ausprobiermodus steckengeblieben. Greta Thunbergs berühmte „How dare you?“-Anklage wird vom Tonband eingespielt, von Wittgenstein bis Hanns Dieter Hüsch springt der Abend mal hierhin, mal dorthin. Immerhin darf das Ensemble die glamourösen, abwechslungsreichen Kostüme von Katrin Wolfermann präsentieren, die aber inhaltliche und dramaturgische Leerstellen kaum überdecken können.

„Sonne, los jetzt“ wurde ebenso wie die „Angabe der Person“ auf der Shortlist des morgen beginnenden Theatertreffens diskutiert. Beide schafften es nicht in die 10er-Auswahl, wurden aber beim Autor*innentheatertage-Festival des DT präsentiert.

Bild: Philip Frowein / Schauspielhaus Zürich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert