Wilhelm Troll

Das verunsicherte, arme Würstchen kauert in seinem Bett. Sein Zimmer ist sichtlich der Stube des armen Poeten nachempfunden. Jan Bluthardt verkörpert diesen „Wilhelm Troll“, den Prototyp des „alten, weißen Mannes“, der die Welt um sich herum nicht mehr versteht.

Begleitet von einem dreiköpfigen Chor (Studiogäste Hochschule der Künste Bern) holt er zum Gegenschlag aus. In kabarettistisch-farcehaften kleinen Tableaus zeichnet Lasse Kochs Text nach, wie Tech-Nerds von Zuckerberg bis Musk dem verunsicherten Tropf eine Social Media-Nische zur Verfügung stellten, in der er seinen Unmut und seinen Hass in die Weiten des Internets rausbrüllen kann.

Vergnüglich ist die erste Stunde dieses Regie-Debüts von Jörg Pohl, der am Thalia Theater Hamburg oft begeisterte und seit 2020 nicht nur Ensemble-Mitglied, sondern auch Co-Schauspieldirektor in Basel ist. Der Schluss fällt dagegen deutlich ab: zu plakativ und eindimensional wird die schillernd-vielschichtige „Wilhelm Troll“-Figur der ersten Stunde zu einer reinen Donald Trump-Karikatur. Mit wörtlichen Zitaten und der Orangenhaut-Maske, hinter der Fabian Dämmich steckt, wird das Phänomen rechter Trolle zu sehr auf diese eine Person verengt, die nach seiner Abwahl im Herbst 2020 nun wieder stärker durch die Medien geistert, da er sich auf einen neuen Anlauf aufs Weiße Haus vorbereitet. Ein interessanter Zufall ist, dass Trump am Abend dieses sehr gut besuchten Berliner ATT-Gastspiels in New York in einem Vergewaltigungs-Prozess schuldig gesprochen wird. Dass ihn und seine rechten Troll-Anhänger stoppen wird, bleibt leider zu bezweifeln. Deshalb ist „Wilhelm Troll“ eine thematisch wichtige, aber am Ende zu plakative Uraufführung.

Bilder: Ingo Höhn

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