Fuck me

Erstmals in Deutschland war in dieser Woche „Fuck me“ der argentinischen Radikalperformerin Marina Otero zu erleben. Sie stützt sich im Zentrum der Bühne ab, klagt, wie sehr ihr zerschundener Körper leidet, und macht sich einen Spaß daraus, die fünf nackten Performer über die Bühne zu scheuchen.

In den kurzen Verschnaufpausen, die sie ihnen gönnt, spielt sie Video-Material ihrer früheren Posen ein, die sie dann prompt von ihren Tänzern reenacten lässt. Eine satirische Abrechnung mit den toxischen Milieus, in denen Otero aufwuchs, der Militärdiktatur in Argentinien und dem Drill der Tanz-Welt mit ihren #metoo-Abgründen, will dieser 70 Minuten kurze Abend sein. Otero richtet den Schmerz, den sie selbst erlitten hat, gegen andere: sehr plakativ und demonstrativ zugespitzt ist ihr Gestus.

Bild: Ale Carmona

Das HAU labelt das Gastspiel unter dem “¡PROTAGONISTAS! Resistance Feminisms Revolution”-Festival, das in dieser Woche stattfindet und von Ulrich Seidlers in der Berliner Zeitung erhobenem Antisemitismus-Vorwurf gegen eine andere Performance überschattet ist. Mit Florentina Holzinger verglich er Oteros Stil, wie entfernte Verwandte oder Cousinen wirken die beiden tatsächlich. Beide sind schmerzfrei und konfrontativ, Holzinger taucht aber noch wesentlich anspielungsreicher in die Mythen ein, treibt Exzess und Stunts noch viel weiter auf die Spitze und feiert bombastisches Spektakel. Otero würde ich deshalb eher auf halber Strecke zwischen Mette Ingvartsen, deren Idee, dass sich die Performer im Publikum ausziehen und auf die Bühne kommen, sie zitiert, und Florentina Holzinger verorten. Am Wochenende folgt im HAU noch das Solo-Projekt „Love me“ von Marina Otero.

Dass ihr Lamento über die malträtierten Knochen, die so kaputt sind, nur satirischer Fake war, demonstriert sie ganz zum Schluss: die Männer durften sich zum Schlussapplaus anziehen und in der Garderobe verschwinden, sie dreht nun selbst nackt schier endlose Runden über die Bühne und den sich leerenden Saal.

Bild: Diego Astarita

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