Fallende Blätter

Lange liegt der Durchbruch von Aki Kaurismäkis Karriere mit der Proletarier-Trilogie Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre zurück. Eigentlich sollte die Tragikomödie „Die andere Seite der Hoffnung (Berlinale 2017)“ sein letzter Film sein.

Mit 66 Jahren brachte er nun doch noch ein neues Werk heraus: „Fallende Blätter“, 82 Minuten kurz, im gewohnt lakonischen Stil. Zwei traurige, vom Leben gezeichnete Figuren schlagen sich durch prekäre Existenzen und finden sehr scheu zu einander. Das ist alles wie gewohnt sehr wortkarg und aus der Halbdistanz in tristen Wohnungen und Kneipen Helsinkis gefilmt.

Dementsprechend ist „Fallende Blätter“ nicht mehr als ein Alterswerk-Nachklapp, aus Nostalgie gab es im Mai 2023 im Cannes-Wettbewerb aka Sandra-Hüller-Festspiele den Preis der Jury/eine Silberne Palme.

Die aufgekratzte Berlin-Mitte-Filmblase und all die Regisseure, die sich kumpelhaft in den Armen liegen, sind eine denkbar schlechte Kulisse für die Film-Premiere im Kino International, wo der neue Kaurismäki-Film gnadenlos absäuft. Aber auch in einem anderen Ambiente hätte es „Fallende Blätter“ schwer: eine einzige, mehrere Jahrzehnte alte Idee trägt nur für Fans, zu lauwarm ist dieses Fußbad geraten.

Aus dem Radio kommen Nachrichten über Mariupol und Selenskij, das sind die einzigen Hinweise, dass der Film nicht mehr in den 1990ern, sondern in der Gegenwart spielt. Die Figuren haben den Anschluss verloren und wirken aus der Zeit gefallen. Zu einem wundersamen Kaurismäki-Moment kommt es während der Premiere allerdings im Saal, als ein Handy losbimmelt. Als die Technologie vor zwei Jahrzehnten neu war, war dies Alltag in Theater- und Kinosälen, heute passiert es höchst selten, am ehesten noch am Berliner Ensemble. So von der Technik und der Welt überfordert wie die Kaurismäki-Figuren wirkte auch dieser Premierengast.

Den Film machen auch die vielen ganz und gar nicht subtilen Hommagen an verehrte Regie-Kollegen nicht besser, die Kaurismäki einbaut: hier ein Hund namens Chaplin, dort ein Mélville-Plakat und schließlich Ausschnitte aus der Zombie-Komödie The Dead don´t die von Jim Jarmusch, diesen Kinofilm von 2019 schauen sich die beiden Hauptfiguren bei einem Date-Versuch an.

Dass sich der Abend dennoch lohnte, lag am finnischen Avantgarde-Pop-Duo Maustetytöt, die schon kurz bei einem Kneipen-Gig im Film zu hören waren und nach einer Pause im immer noch fast vollen Saal ein Konzert ihrer Balladen gaben. Im Hintergrund wurden Ausschnitte aus Kaurismäkis „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ gezeigt, der 1990 im Forum der Berlinale lief.

„Fallende Blätter“ startete nach der Cannes-Premiere vom Mai am 14. September 2023 in den Kinos und geht als finnischer Kandidat ins Oscar-Rennen.

Bild: © Sputnik Oy / Pandora Film, Foto: Malla Hukkanen

 

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