In seinem neuen Melodram beschäftigt sich Todd Haynes damit, wie nicht nur die Klatschpresse, sondern vor allem auch Verfilmungen einen Skandal ausschlachten. Das Film-Sternchen Elizabeth Berry (Natalie Portman) hat das Angebot bekommen, die Geschichte von Gracie Atherton-Yoo, einer 36jährigen Lehrerin (Julianne Moore), zu spielen, die mit dem Siebtklässler Joe im Lagerraum einer Zoohandlung beim Sex erwischt wurde, das Baby im Gefängnis zur Welt brachte und mit dem mittlerweile erwachsenen Mann (Charles Melton) und ihrem Sohn scheinbar glücklich zusammenlebt.

Haynes macht sich einen Spaß daraus, sich auszumalen, wie sich die mäßig talentierte Schauspielerin auf dieses B-Movie vorbereiten könnte. Der Film lebt vom Aufeinandertreffen der Hollywood-Stars Portman und Moore: die eine als übereifrige Method Acting-Anhängerin, die im Privatleben von Gracie herumschnüffelt und von Nachbarn bis Kindern aus erster Nähe penetrant alle und jeden ausquetscht, die andere als scheinbar naive Frau, die bereitwillig Auskunft gibt, aber nicht so recht verstehen will, was an ihrer Story so außergewöhnlich ist.

In diesem Meta-Melodram spielt der dünne Plot nur eine nachgeordnete Rolle, viel lieber parodiert Haynes typische Soap-Stilmittel wie dick aufgetragene Spannungsmusik, die theatralisch jede kleinste Regung der Protagonistinnen untermauert.

„May December“ bezeichnet in den USA Paare mit so deutlichem Altersunterschied wie bei Gracie und Joe. Der zweistündige Film hatte im Wettbewerb von Cannes im Mai 2023 Premiere, ging aber dort leer aus, weil er hinter früheren Werken wie Carol zurückbleibt. Nach weiteren Festival-Stationen in San Sebastian und der Deutschlandpremiere in Hamburg wird „May December“ ab 1. Dezember 2023 auf Netflix abrufbar sein.

Bild: Filmfest Hamburg

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