Bovary

Seine erste Spielzeit als Intendant des Staatsballetts Berlin eröffnet Christian Spuck mit einer Choreographie, die er einem der berühmtesten Romane des 19. Jahrhunderts nachempfunden hat: Emma Bovary, die der Enge ihrer lieblosen Ehe in der Provinz entfliehen will, sich in leidenschaftliche Affären und Phantasien flüchtet, stark verschuldet und schließlich den Suizid als letzten Ausweg sieht, war eine Romanfigur, die ihre Zeitgenossen empörte und schockte.

Spuck zeichnet die wesentlichen Stationen des Romans von Gustave Flaubert nach: für die Ball-Szenen kommt ein großer Teil des Corps de Ballet zum Einsatz, im Zentrum stehen Emma Bovary (Weronika Frodyma) und die drei Männer in ihrem Leben, ihr dröger Ehemann Charles (Alexei Orlenco) und ihre beiden Liebhaber Léon (Alexandre Cagnat) und Rodolphe (David Soares).

Unterlegt von der schwelgerischen Klaviermusik von Camille Saint-Saëns reiht Spuck gediegene Choreographien aneinander: Klassisch-elegante Pas de deux und Hebefiguren für die raren Glücksmomente im Leben der Emma, bevor ihre Stimmung zu den atonalen Klängen von György Ligeti in Zerrissenheit oder Verzweiflung umschlägt.

Die atmosphärisch stärksten Momente sind die Passagen, die Marina Frenk (derzeit auch mit einer Musik-Performance im Rahmen des Gorki-Herbstsalons zu erleben), aus Elisabeth Edls 2021 erschienener „Madame Bovary“-Übersetzung liest, und die Szenen, in denen Emma Bovary zum leitmotivisch wiederkehrenden „She was“ von Camille (2011) ganz auf sich zurückgeworfen ist.

Der „Bovary“-Abend schwelgt als Preziose im Kostümfundus (Emma Ryott) des 19. Jahrhunderts, handwerklich ist alles sehr gekonnt, wirkt aber doch sehr museal. Das Publikum in der Deutschen Oper Berlin spendete freundlichen Applaus, Jubel gab es für Weronika Frodyma in der Titelrolle.

Bild: Serghei Gherciu

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