Killers of the Flower Moon

In einem mehr als dreieinhalbstündigen Epos schildert der 80jährige Martin Scorsese ein Geflecht aus Gier und Gewalt aus dem Amerika des 20. Jahrhunderts. „Killers of the Flower Moon“ liegen wahre Begebenheiten zugrunde: die Mordserie an den Osage, einem Native Americans-Volk im Mittleren Westen der USA, dokumentierte David Grann in seinem 2017 erschienen Sachbuch Killers of the Flower Moon: The Osage Murders and the Birth of the FBI.

Sehr viel Zeit nimmt sich Scorsese bereits für die Exposition seiner Figuren. Lange, genau komponiertem recht statische Einstellungen zeichnen ein Panorama der damaligen Situation. Die Osage sind zu großem Reichtum gekommen, da auf dem Boden ihres Reservats große Erdöl-Ressourcen gefunden wurden. Das weckt den Neid und die Gier von William Hale (Robert de Niro) hervor. Hinter seinen guten Manieren und der Fassade als Förderer der Osage-Kultur verbirgt sich der Strippenzieher der Mordserie: nach und nach möchte er sich immer mehr Land aneignen und instrumentalisiert dafür auch seinen etwas beschränkten Neffen Ernest Burkhart (Leonardo diCaprio).

Die beeindruckendste schauspielerische Leistung dieses Epos liefern aber nicht die beiden Stars, sondern eine Entdeckung, die bisher nur in kleineren Indie-Produktionen z.B. von Kelly Reichardt (Certain Women, First Cow) mitwirkte: Lily Gladstone spielt Mollie, die wortkarge, an Diabetes leidende Frau von Ernest.

Im Mittelteil mit seiner genauen Charakterzeichnung und dramatischen Zuspitzung der Ereignisse demonstrieren Scorsese und seine langjährige Editorin Thema Schoonmaker ihre Meisterschaft. Allerdings will und will das Epos einfach kein Ende nehmen: „Killers of the Flower Moon“ sprengt bewusst alle Grenzen der Kino-Erzählökonomie, ist von der Länge her eher eine Miniserie, dramaturgisch aber wie ein klassischer Kinofilm aufgebaut, wie David Steinitz in der SZ notierte. Selbst einem Scorsese würde kein Studio das Budget bewilligen, das für ein derartiges Opus nötig ist. Hier sprang der Streamingdienst Apple+ ein.

Ganz zum Schluss tritt Scorsese auch selbst vor die Kamera. In einer Radioshow-True Crime-Podcast-Parodie liest er vom Blatt, was aus den Protagonisten dieser Mordserie wurde, nachdem das damals neu gegründete FBI (im Film verkörpert von Jesse Piemons) seine Ermittlungen aufgenommen hatte.

Nach der Premiere in Cannes, wo „Killers of the Flower Moon“ im Mai 2023 außer Konkurrenz präsentiert wurde, startete der Film am 19. Oktober 2023 in den Kinos, bevor er auf der Streaming-Plattform zu sehen sein wird.

Im Januar 2024 wurde Lily Gladstone als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet und setzte sich dabei gegen so starke Konkurrenz wie Sandra Hüller durch.  Bei den Oscars 2024 ging das Drama leer aus.

Bilder: Apple/Paramount

 

 

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