Wohl keine andere Autor*in ist Shermin Langhoffs Gorki Theater so eng verbunden wie Sasha Marianna Salzmann, nonbinäre Schriftsteller*in, Dramatiker*in und langjährige Leiter*in der Studiobühne.
Da lag es natürlich nahe, nach Außer sich auch Salzmanns zweiten Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ auf die Gorki-Bühne zu bringen. Die Feuilletons bejubelten das Buch über vier Frauen aus zwei Generationen, über den als „Fleischwolfzeit“ apostrophierten Zusammenbruch der Sowjetunion und ihre Schwierigkeit, als Kontingent-Flüchtlinge im vereinigten Deutschland anzukommen. Der Roman landete vor zwei Jahren auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und erhielt weitere Ehrungen, die ich anlässlich der Hamburger Uraufführung aufgezählt habe.
Doch schon bei dieser ersten Bühnenversion wurde deutlich, wie schwer es ist, eine Spielfassung aus dem Roman zu destillieren. Die knapp 400 Seiten bestehen vor allem aus Monologen. Salzmanns zentrales Thema ist die Sprachlosigkeit der vier Hauptfiguren, die vor allem übereinander und aneinander vorbeireden.
Sebastian Nübling, der am Gorki Theater mit den energiegeladenen Sibylle Berg-Stücken Triumphe feierte, und sein Team reagieren auf diese herausfordernde Situation, indem sie gar nicht erst versuchen, eine wirklich dialogische Fassung zu entwickeln. Die vier Frauen wechseln sich mit wenigen Ausnahmen, in denen sie miteinander sprechen, in Monologen an der Rampe ab. Leitmotivisch senken sich die schweren eisernen Vorhänge auf der von Evi Bauer gestalteten Bühne: sehr plastisch, aber auch ein wenig zu plakativ stehen sie für die Abschottung und Kontaktlosigkeit der Protagonistinnen.
Anastasia Gubareva legt Tatjana als klischeehaft stark geschminkte Ex-Sowjetbürgerin mittleren Alters an und darf ihre tolle Stimme in dem mehrmals eingestreuten „Harlekino“-Ohrwurm von Alla Pugatschowa präsentieren. Yanina Cerón trumpft als girliehafte junge Journalistin und Salzmann-Alter ego Edita auf. Etwas zurückhaltender verkörpern Lea Draeger als Nina, die zweite Vertreterin der jungen Generation, und Çiğdem Teke als Tatjanas Altersgenossin Lena ihre Figuren.
In den 90 Minuten geballter Monologe blitzt zwar ab und zu Salzmanns unbestrittene sprachliche Brillanz auf, aber ein Spielfluss will sich an diesem Premieren-Abend nicht einstellen, obwohl Shermin Langhoff nicht nur einen bewährten Regisseur, sondern auch vier ihrer besten Kräfte an die Rampe schickt.
Die gelungensten Momente dieser etwas zähen Roman-Adaption sind das launige Comedy-Intro, in der die vier Spielerinnen ihre Figuren vorstellen und kopfschüttelnd berichten, dass sich die Roman-Struktur gegen eine Theaterfassung sperrt, sowie der zarte Traum-Monolog von Lea Draeger, der in Schweigen und Dunkelheit ausklingt.
„Im Menschen muss alles herrlich sein“ hatte am 27. Oktober 2023 im Rahmen des 6. Herbstsalons am Gorki Theater Premiere.
Bild: © Ute Langkafel MAIFOTO