Prinz Friedrich von Homburg

Mit einem wuchtigen, düsteren Abend gibt Jette Steckel ihren Einstand an der Berliner Schaubühne. Am Hamburger Thalia Theater ist sie seit mehr als einem Jahrzehnt Hausregisseurin und Publikumsliebling, dem Berliner Publikum ist sie von vielen Arbeiten am DT bekannt, das bis vor kurzem Uli Khuon leitete.

Sie hat sich für ihr Debüt einen Klassiker ausgesucht, der im Gedächtnis des Hauses mit zwei Ikonen verbunden ist: Anfang der 1970er Jahre spielte Bruno Ganz den „Prinz Friedrich von Homburg“ in einer der berühmtesten Peter Stein-Inszenierungen als Traumverlorenen. Welchen anderen Fokus Steckel wählt, macht sie von Beginn an überdeutlich klar: Renato Schuchs „Homburg“ ist ein schwer Traumatisierter. Auf dem aus zahlreichen kleinen Sandsäcken aufgetürmten Kriegsschausplatz liefert er sich in der ersten Szene einen keuchenden Überlebenskampf mit seinem Gegner (Holger Bülow), der ihn nach seinem röchelnden Krepieren mit weißer Totenmaske weiterhin verfolgt.

Als Kommentar zur Forderung des Verteidigungsministers, dass die Gesellschaft wieder „kriegstüchtig“ werden muss, lässt sich auch das Intro verstehen: die Spieler*innen treten an die Rampe und legen ihre legeren Alltags-Klamotten ab. Sie schlüpfen in schwarz-weiße Kampfmonturen, als Außenseiter ist Schuchs Titelfigur von Beginn an markiert, da er in diesem mehr als 2,5stündigen Halbdunkel in seinem kräftigen Rot einer der wenigen Farbtupfer bleibt.

Keuchend und schwitzend erklimmen die Spieler*innen wieder und wieder diese steile Wand oder lassen sich von ihr abrollen. Gewehre werden präsentiert, die Hacken der Stiefel werden gehorsam aneinander geschlagen und dröhnender Kriegslärm unterlegt weite Strecken dieses Abends. Jette Steckel beweist ihr unbestreitbares Talent, große, eindrucksvolle Bilder zu schaffen. Sehr naturalistisch zeigt sie das Grauen des Krieges. An Edward Bergers Oscar-prämierten Netflix-Blockbuster „Im Westen nichts Neues“ nach Erich Maria Remarque fühlten sich einige nach dieser Premiere erinnert.

Ein Markenzeichen von Jette Steckels Inszenierungen sind die Popsongs, in denen manche ihrer Abende so schön schwelgen wie ihre preisgekrönte Hamburger „Romeo und Julia“-Inszenierung. Wenn das plakative Anti-Kriegs-Reenactment auf die zarten Melodien trifft, macht es sich Jette Steckels Kleist-Inszenierung manchmal zu einfach und ist der Kitsch nicht weit. „Eine ungute Ästhetisierung des Krieges“ warf Elena Philipps Nachtkritik diesem Abend aus guten Gründen vor.

Auf welcher Seite Steckel mit diesem „Antikriegs-Blockbuster“ (Barbara Behrendts treffende Charakterisierung im rbb) steht, unterstreicht sie durch einige Einschübe aus Kleists Briefen, in denen er die Motive für seinen Bruch vom Militär und seinen Hierarchien präzise beschrieb, mit denen sie den leicht gekürzten Originaltext des Dramas anreichert. Die Sprache von Kleists Figuren bleibt uns so fern wie ihre Auseinandersetzungen um Befehl, Gehorsam und Vaterland. Die Brutalität des Krieges bleibt über die Jahrhunderte gleich. Das Entsetzen darüber möchte uns Steckel sehr eindringlich vor Augen führen und zieht viele Register des Überwältigungs- und Breitwand-Theaters. Die Bilder sind es, die von diesem Abend in Erinnerung bleiben, die Erkenntnisse sind nicht neu.

Bilder: Armin Smailovic

 

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