Genesis

Der Ausgangspunkt der zweiten Regie-Arbeit von Bastian Reiber im Studio der Schaubühne nach „Prometheus“ (2019) ist vielversprechend: Wie geht ein Schauspieler damit um, wenn er in einem real gewordenen Albtraum aufwacht? Wenn er die Bühne vor vollem Haus betritt, sich aber plötzlich in einem völlig fremden Bühnenbild aus einem anderen Repertoire-Stück wiederfindet.

Bastian Reiber, der ca. 3/4 des Abends monologisiert und den Stoff mit Christina Reinsberger gemeinsam entwickelt hat, ruft den Abenddienst an, der einen schnellen Umbau verspricht, dies aber nie einlöst. Wie könnte ein Spieler auf eine solche Situation reagieren? Reiber spielt mehrere Varianten durch: zunächst hyperventilierend mit Panikattacke am Boden liegend und die Triggerwarnungen auf der Metaebene thematisierend sinnt er anschließend darüber nach, wie man auf der Bühne am besten Zeit überbrückt und totschlägt. Im Small-Talk mit einer Zuschauerin aus der ersten Reihe plaudert er mit Anekdoten aus dem Opernbetrieb aus dem Nähkästchen und klärt uns auf, warum das verprellte Publikum sein Geld nicht zurückfordern kann, wenn der Abend nach der Hälfte der geplanten Zeit abgebrochen werden muss.

Schließlich fügt sich seine Figur in ihr Schicksal und versucht aus den Kisten und Bühnenbild-Versatzstücken, die auf der Studiobühne nur scheinbar wie in einer Abstellkammer deponiert wurden, eine angenehmere Atmosphäre und einen „angstfreien Raum“ zu schaffen. Mit etwas Slapstick ordnet er Ventilatoren zu einer Choreographie an oder springt ein paar Treppenstufen hoch und wieder runter. Dazwischen memoriert er sich durch einen langen Monolog, der auf den „311 Gottesdefinitionen“ von Valère Novarina basiert und sich mit exzessivem Name-Dropping durch die Geistesgeschichte wühlt.

Als Sidekick kommt Thomas Witte hinzu, der stoisch und stumm auf das Schlagzeug eindrischt und später in einem grotesken Laber-Flash über Induktionsherde referiert. Wenn man den Abend nach fat 90 Minuten gedanklich schon als typische Studio-Fingerübung abgehakt hat, die sich eine interessante Fragestellung wählte, aber dann viel zu wenig daraus kommte, gibt es ganz zum Schluss doch noch einen schönen Moment, der in Erinnerung bleibt: Das vermeintliche Heizungsrohr am linken Bühnenrand setzt sich langsam in Bewegung und tänzelt in die Mitte, beginnt einen Pas de deux und stülpt sich über Reiber, der davon ganz verschluckt wird, während sich Axel Wandtke am anderen Ende herausschält und im Hintergrund die Windmaschine angeworfen wird, die die Frisuren des Premieren-Publikums zerzaust. Zu einer letzten Runde von Gottesdefinitionen setzt Reiber noch an, bevor dann endgültig Schluss ist.

„Genesis“ hatte am 30. November 2023 im Studio der Schaubühne Premiere.

Bilder: Alice Ionesu

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert