In den vergangenen Jahren entwickelte sich Ryusuke Hamaguchi zu einem der Shooting-Stars und Lieblinge der großen Festivals des Weltkinos. Sein Metier ist die Langstrecke mit epischen, von Tschechow inspirierten Filmen wie Drive my Car (2021 Silberne Palme in Cannes).

Zwei Jahre später wurde er nach Venedig mit seinem für seine Verhältnisse diesmal mit 105 Minuten erstaunlich kurzen Film „Evil does not exist/Aku wa sonzai shinai“. Ausgangspunkt für diese Fingerübung war die Musik einer befreundeten Komponistin: Eiko Ishibashis elegische Klänge und die Landschaftsaufnahmen von Yoshio Kitagawa sind die eigentlichen Protagonisten dieses neuen Werks.

Das erste Drittel besteht aus meditativen Beobachtungen des Landlebens und der Menschen, die dort im Einklang mit der Natur ihrem Alltag nachgehen. Das ist schön anzusehen, verströmt aber auch eine gepflegte Langeweile. In diese Idylle brechen zwei Agentur-Mitarbeiter*innen aus Tokio ein: sie wollen die Provinz-Bevölkerung überzeugen, dass die Glamping-Pläne keine größeren Auswirkungen auf Grundwassserspiegel oder Waldbrandgefahr haben, sind aber so schlecht vorbereitet, dass sie gewaltig ins Schwimmen geraten. In einem für Hamaguchis Werk typischen Auto-Dialogen sprechen die beiden über ihre Frustration im Job.

Gedanklich arg schlicht ist die Stadt/Land-, Gut/Böse-Dichotomie in Hamaguchis neuem Film geraten. Er hatte wohl auch selbst kein gutes Gefühl und schlägt in den letzten zehn Minuten eine überraschende Drehbuch-Volte, die nicht gespoilert werden soll, sich jedoch nicht schlüssig in den Plot einfügt.

In Venedig gewann Hamaguchi im September dennoch den Großen Preis der Jury, weitere Einladungen des Festival-Lieblings folgten in London, New York, San Sebastian und Wien. In Deutschland war „Evil does not exist“ erstmals im Oktober in Hamburg und im November in Mannheim/Heidelberg zu sehen, bevor er zum Eröffnungswochenende des „Around the World in 14 films“ bei einer japanischen Nacht präsentiert wurde. In der Berliner Kulturbrauerei gibt es noch eine weitere Vorstellung am kommenden Mittwoch. Der bundesweite Kinostart ist für den 18. April 2024 geplant.

Bild: © Pandora Film / NEOPA, Fictive

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