Muttersprache Mameloschn

Mehr als ein Jahrzehnt ist es her, als Sasha Marianna Salzmann, nonbinäre Autor*in, mit dem UdK-Abschluss-Stück „Muttersprache Mameloschn“ den Durchbruch feierte. In der Box des Deutschen Theaters wurde dieses Kammerspiel über drei Generationen jüdischer Frauen zum Beginn der Spielzeit 2012/13 uraufgeführt und gewann den Publikumspreis bei den Mülheimer Theatertagen für neue Dramatik.

Salzmann gehört seit Beginn von Shermin Langhoffs Gorki-Theater-Intendanz von 2013 zu den Stützen des Hauses, war Leiter*in der Studiobühne und Hausautor*in. Die Romane, die regelmäßig für den Deutschen Buchpreis nominiert waren, wurden stets für das Gorki Theater adaptiert. Nun schließt sich ein Kreis: Salzmanns Debüt kam Gorki Theater als Studio-Inszenierung von Hakan Savaş Mican neu inszeniert.

Dieser Abend ist natürlich eine sichere Bank: die schnellen Ping-Pong-Dialoge funktionieren auch ein Jahrzehnt später, erst recht bei einer solchen Top-Besetzung. Ursula Werner, ein Aushängeschild des Gorki Theaters zu DDR-Zeiten und z.B. damals eine der „Drei Schwestern“, ist nach langer Zeit wieder an ihrem Stammhaus zu sehen und spielt die Großmutter Lin, zu DDR-Zeiten eine linientreue Kommunistin, die mit jüdischen Liederabenden zu Ehren der Holocaustmutter Karriere machte. Die Sandwich-Generation verkörpert Anastasia Gubareva als Clara, die als Akt der Rebellion mit den jüdischen Wurzeln gar nichts zun tun haben will. Für die Rückbesinnung auf die Tradition steht Enkelin Rahel (Alexandra Sinelnikova), die ihr lesbisches Coming-out hat, aus der Familie nach New York ausbrechen will und ihren abwesenden Zwillingsbruder vermisst.

Die drei Frauen-Generationen ringen mit sich und ihrer Identität, können nicht mit-, aber auch nicht ohne einander: eine typische Familie mit zickigen Rededuellen, gegenseitigen Verletzungen und doch immer wieder Aufeinanderzugehen. Die stärksten Momente gehören den beiden erfahreneren Spielerinnen Werner und Gubareva, die sich in diesem intensiven Kammerspiel auf engem Raum abarbeiten.

Der Regisseur unterlegt dies wie so oft durch Live-Musik von David Kahn, der eigene jiddische Lieder komponierte, Lieder von Cat Stevens und Leonard Cohen am Klavier neu interpretiert und vor allem immer wieder jüdische Witze einstreut. Für die Videoaufnahmen aus der New Yorker Eastside, die Rahels Fernweh bebildern, ist Sebastian Lempe zuständig.

Die neue „Muttersprache Mameloschn“-Inszenierung hatte am 7. Dezember 2023 zum Abschluss des Herbstsalons im Gorki Studio Premiere und wurde mit viel Applaus bedacht, vor allem natürlich für das späte Comeback von Ursula Werner.

Shermin Langhoff und ihr Team haben diese Premiere über jüdische Identität natürlich schon viel länger geplant und sicher nicht hektisch auf Aktualität reagiert. Genau zwei Monate nach den Terror-Anschlägen der Hamas auf Israel bekommen die Passagen, in denen die Figuren über ihre Angst vor Antisemitismus und ihre Sorge um den nach Israel ausgewanderten Bruder zwangsläufig einen zusätzlichen Resonanzboden, ohne dass größere Einschnitte in den ein Jahrzehnt alten Text notwendig sind.

Bild: Ute Langkafel MAIFOTO

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