Die drei Schwestern (Isabelle Redfern, Diana Marie Müller, Pia Amofa-Antwi) räkeln sich so gelangweilt auf dem Sofa und sehnen sich so sehr nach „Aaameeeerika!“, dass Peter Stein und den treuen Anhängern seiner Tschechow-Seelenerkundungen in der Schaubühne am Lehniner Platz aus längst vergangenen Jahrzehnten das Herz aufgehen wird!
Golda Barton hat den Klassiker nach Zehlendorf kurz nach dem Mauerfall verlegt: Die Schwestern Olivia, Masha und Ivy trauern um den Abzug der US Army Base, ihr verträumtes Dasein auf der West-Berliner Insel wird durch den Eigenbedarf von Natty (
Clou des knapp zweistündigen Abends, den das Kollektiv Glossy & Pain an der Volksbühne produziert hat, ist, dass die Grundstruktur des tragikomischen Klassikers der vorletzten Jahrhundertwende klar erkennbar bleibt, aber eingestreute Buzzwords zu den zentralen identitätspolitischen Diskursen führen, die in kleinen Sitcom-Szenen abgehakt werden: Wer darf wen spielen? Wie kommen wir zu diverseren Ensembles? Wem gehört die Stadt? Und einige Reizthemen mehr werden hier komödiantisch verhandelt. Zwischendurch gibt es auch ein paar ironische Anspielungen auf den Theaterbetrieb, z.B. den afrikanischen Chor im Pollesch/Hinrichs-Abend „Geht es dir gut?„
Der Zusammenprall des melodramatischen Klassikertons und des flapsigen Comedy-Tons, den vor allem die gerade erst mit dem Ulrich Wildgruber-Preis ausgezeichnete Amanda Babei Vieira und die Pianistin Ming als Sidekick in den Abend einbringen, funktioniert erstaunlich gut.
Nach der Premiere im 3. Stock der Volksbühne wurden die „Sistas!“ zum Überraschungshit der Saison 2022/23, gewannen den Publikumspreis von „Radikal jung!“ am Münchner Volkstheater, wurden nach Mülheim eingeladen und schafften es auf die Shortlist des Theatertreffens. Deshalb durften sie in das Große Haus am Rosa Luxemburg-Platz umziehen, das am Montag immerhin zur Hälfte gefüllt war, und gehen demnächst wieder auf Tour: zwar weder nach Moskau noch nach New York, aber immerhin nach Duisburg!
Bilder: Greta Markurt