Langue Étrangère

Als Familien- und Coming of Age-Drama funktioniert Claire Burgers „Langue Étrangère“ sehr gut: gemeinsam mit ihrer Co-Drehbuchautorin Léa Mysius schildert sie die Beziehung zwischen Fanny (Lilith Grasmug) und Lena (Josefa Heinsius). Die so unterschiedlichen Mädchen haben sich am Anfang gar nichts zu sagen: Fanny kam als Austauschschülerin von Straßburg nach Leipzig, kann aber nur wenige Brocken Deutsch. Lena (Josefa Heinsius) spricht zwar Französisch, macht aber kein Hehl daraus, dass sie überhaupt keine Lust auf den Gast hat. Eingefädelt haben den Austausch ohnehin die beiden Helikoptermütter Susanne (Nina Hoss) und Antonia (Chiara Mastroianni). 

Sehr präzise zeichnen Burger und Mysius die schwierigen Familienkonstellationen, die stärksten Passagen des Films sind die kammerspielartige Fokussierung auf das Dreieck Fanny/Lena/Susanne im ersten Drittel. Fanny beginnt, Phantasiegeschichten zu erfinden: Susanne lügt sie die ungewollte Schwangerschaft einer Freundin als Begründung für ihre ständige Traurigkeit vor. Mit einer erfundenen Antifa-Schwester aus dem Schwarzen Block weckt sie das Interesse der Fridays for Future-Aktivistin Lena, die Fanny bis dahin für kindisch hielt.

Diese Lügengeschichte ist das Scharnier zum zweiten Erzählstrang, der deutlich weniger gut funktioniert: „Langue Étrangère“ will nicht nur lesbisches Coming of Age-Drama sein, sondern auch das Porträt einer woken Generation und politische Zeitdiagnosen liefern. Vom Rassismus bei Polizeikontrollen bis zu den Sprüchen des AfD-wählenden Großvaters, vom Mobbing an der Schule bis zur NS-Vergangenheit packen Burger/Mysius allzu viele Motive in ihren Film, die sie etwas streberhaft und überambitioniert abhaken. Die zweite Hälfte des Films knirscht dramaturgisch gewaltig. Das interessante Thema, ob und wie sich Fanny aus ihren Lügenkonstrukten befreien kann, gerät in den Hintergrund.

„Langue Étrangère“ ist wegen seiner vielversprechenden Ansätze und seiner Stärken durchaus sehenswert, reicht aber nicht an die Qualität von „The Five Devils“ heran, bei dem Léa Mysius Coming of Age mit Fantasy meisterhaft verwob.

Bild: Les Films de Pierre

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