#motherfuckinghood

Sichtlich übermüdet und mit vollgekotztem Shirt schleppt sich Claude de Demo auf die Bühne. Sie darf ihre erste Hauptrolle nach der Babypause spielen, aber pünktlich zur Premiere wurden erst die Kinder und dann auch noch die Babysitterin krank.

Über den ständigen Ausnahmezustand, den es bedeutet, Mutterschaft und Beruf zu verbinden, berichtet Claude de Demo, Schauspielerin am Berliner Ensemble, in einer kurzen szenischen Collage, die sie mit Jorinde Dröse entwickelt hat. Die Regisseurin war am Gorki Theater von Armin Petras und anderen Bühnen gut im Geschäft, verschwand dann von der Bildfläche, als sie Mutter wurde, und meldete sich in den vergangenen Jahren mit Arbeiten in der Box des DT und den Salzburger Festspielen zurück. Für dieses renommierte Festival adaptierte sie mit „Die Wut, die bleibt“ einen Roman von Mareike Fallwickl, von der auch lange Schlusspassage dieses BE-Abends stammt: Ihre Auseinandersetung mit bell hooks „Männer, Männlichkeit und Liebe“ ist ein konzentriertes, stilles, queerfeministisches Manifest gegen tradierte patriarchale Rollenmuster, mit dem #motherfuckinghood leise ausklingt.

Die 75 Minuten davor sind ein Stilmix, durch den de Demo wie eine Flipper-Kugel springt: mal parodiert sie Quizmaster á la Günther Jauch, die das Publikum in der ersten Reihe mit Multiple Choice-Fragen zu feministischer Alltagspraxis und Ungerechtigkeiten der Care-Arbeit malträtiert. Oft ist die Solo-Performerin regelrecht aufgekratzt, schlüpft in ein Superwoman-Kostüm und tritt aufs Comedy-Gaspedal. In anderen Momenten wird sie zur Infotainment-Journalistin, die der Soziologin und WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger im aufgezeichneten Video-Interview, allerlei Statistiken und Fakten entlockt. Nach der heutigen Vorstellung kam die Wissenschaftlerin auch zu einem Publikums-Nachgespräch.

Prof. Jutta Allmendinger im Video-Interview für „#Motherfuckinghood“

Wieder andere Passagen sind bedrückende Schilderungen der schmerzhaften Wehen, die sich Männer gar nicht vorstellen können: am Beispiel einer mit besonders vielen Komplikationen behafteten Geburt schildert de Demo ihr Leiden und wie alleingelassen sie sich vom medizinischen Team im Krankenhaus fühlte.

Dieser Stilmix ergibt einen feministischen Kessel Buntes aus Schlaglichtern zu den Themen Mutterschaft und Kapitalismus, der vielen Zuschauerinnen aus der Kernzielgruppe aus der Seele zu sprechen schien.

Premiere von #motherfuckinghood war am 1. Februar 2024 im Neuen Haus des Berliner Ensembles.

Bilder: Matthias Horn

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