Das Leben ein Traum

Um ein paar Tage hat die Volksbühne nach dem Tod ihres Intendanten René Pollesch ihre nächste Premiere verschoben, dann ging die Show weiter. Vermutlich war das auch in Polleschs Sinn: unermüdlich lebte und arbeitete er für das Theater, gönnte sich bis zuletzt kaum Pausen und brachte „ja nichts ist ok“ mit Fabian Hinrichs nach krankheitsbedingter Proben-Unterbrechung zur Uraufführung.

Der Ton ist jedoch in „Das Leben ein Traum“ ein ganz anderer: Waren bei der letzte Pollesch/Hinrichs-Inszenierung die Einsamkeit, die Trauer und die Erwartung des Todes präsent, wirft sich dieser neue Abend, den Clemens Maria Schönborn mit seiner Partnerin Sophie Rois und seinem Team entwickelt hat, mit viel Slapstick in die Komödie. Die knapp zwei Stunden folgen zunächst weitgehend der Handlung des Versdramas von Pedro Calderón de la Barca aus dem 17. Jahrhundert: König Basilius deklamiert Silvia Rieger mit expressionistischem Pathos, seinen lange weggesperrten Sohn Sigismund spielt Sophie Rois mit jugendlicher Naivität.

„Das Leben ein Traum“ ist ein Abend, der in den Rückspiegel blickt: die beiden Volksbühnen-Urgesteine Rieger und Rois stellen die charakteristischen Eigenarten ihres jeweiligen Spiels aus. Der verhandelte Stoff spielt nur eine untergeordnete Rolle und gerät in der zweiten Hälfte schließlich ganz in Vergessenheit.

Wenn Rois wie ein kleines Kind nach Maccaroni kräht oder beleidigt brüllt, sind das unverwechselbare Momente dieser großen Schauspielerin. Auch ihre Einlagen in ihrem österreichischen Heimatidiom erfreuen die Fans. Aber der Plot dieser Stückentwicklung nach klassischer Vorlage wird dünner und dünner. Während die meiste Zeit auf einer leicht geneigten Scheibe gespielt wurde, sitzen in den letzten Szenen alle zusammen auf der Couch in einer roten Wohnzimmerlandschaft und starren auf den Röhrenfernseher: Rieger wartet auf ein Eishockeyspiel, in  dem den Russen endlich mal eine Lektion erteilt werden soll, neben ihr und Rois haben noch Margarita Breitkreitz, Uwe Dag Berlin und die kettenrauchende Kerstin Graßmann Platz genommen. Auch sie sind altbekannte Spielerinnen und Spieler aus der langen Historie der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz und albern sich durch einen Loop-Dialog über den Weihnachtsklassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, Strahlenschäden und Impotenz, bis Graßmann mit ihrer berlinernden Reibeisenstimme fordert, dass ihr Sitznachbar endlich aufhören soll, weil dit nerve, ist dies der erlösende Schlusspunkt eines durchwachsenen Theaterabends.

Bild: Gordon Welters

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert