Manifesto transpofágico

Mit Arcade Fire endet die FIND-Ausgabe 2024 an der Schaubühne: „My body is my cage“ singt Solo-Performerin Renata Carvalho zum Abschluss des 100minüigen Gastspiels. Die Hürden und Ausgrenzungen, denen sie als Trans-Frau ausgesetzt ist, stehen im Zentrum dieser Arbeit, die sie mit dem Regisseur Luiz Fernando Marques entwickelt hat.

Ausgehend von ihrem ganz persönlichen Schicksal weitet sich die Perspektive. Zögernd zeigt sie auch ihr Gesicht, das Lichtdesigner Wagner Antônio über weite Strecken der Show im Dunkeln ließ. Carvalho stellt ihren mit Silikon operierten, bis auf einen Slip nackten Körper aus, spricht über ihren langen Weg, sich selbst zu akzeptieren.

Allgemeiner geht es mit viel Doku- und Archivmaterial über die Transgender-Pionierinnen in Brasilien, die einerseits von Cis-Männern als Sexphantasien angehimmelt wurden, andererseits während der AIDS-Krise der 1980er und 1990er Jahre brutaler Gewalt und Anfeindungen ausgesetzt waren.

Plötzlich blendet das Licht komplett auf, die Publikumsreihen sind ausgeleuchtet, Jô Osbórnia, eine in Berlin lebende brasilianische Freundin kommt dazu und übersetzt die Interaktion mit den Zuschauer*innen. Dieser Teil ist eine Art Grundkurs für jene, die sich noch kaum mit dem Thema beschäftigt haben: Renata Carvalho erklärt, was es mit den Pronomen auf sich hat oder beantwortet Fragen zum Unterschied zwischen trans und nonbinär. Ihre Gegenfragen sind sehr naheliegend: wer hat Angehörige oder Freunde, die trans sind? Würde sie als Cis-Frau durchgehen („Passing“), wenn man sie zufällig treffen würde. Dieser Interaktionsteil ist gut gemeint, krankt aber an zwei Faktoren; er ist etwas zu lang geraten und die Übersetzung, die nicht von einer ausgebildeten Expertin, sondern einer Freundin übernommen wurde, lässt das Gespräch nicht so recht in Schwung kommen.

Dennoch ist „Manifesto Transpofágico“ in seinem Lecture Performance-Teil eine Bereicherung für diese Festival-Ausgabe, die stark auf marginalisierte Perspektiven fokussierte und nach prekären Arbeitsbedingungen und Leben im Exil den Bogen zu queeren/trans-Biographien in machistisch geprägten Gesellschaften schlug.

Bild: Rai do Vale

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