Overture

Mit einem Doppelabend von zwei Choreograph*innen setzte das Staatsballett Berlin seine Spielzeit fort: der Katalane Marcos Morau, im vergangenen Jahr von der Fachzeitschrift „tanz“ zum Choreographen des Jahres gewählt, ist dem Berliner Publikum bereits aus mehreren Tanz im August-Gastspielen mit seiner Compagnie La Veronal vertraut. Seine Kreationen schlagen oft die Brücke vom Tanz zum Sprechtheater und der bildenden Kunst. In seiner neuen Arbeit, die er als Artist in Residence des Staatsballets entwickelte und wie der Doppelabend „Overture“ heißt, wogt und windet sich das Ensemble um eine umgefallene, schwarze Säule winden, die in diesem Zustand an eine Öl-Pipeline erinnert.

In dem dystopischen Wimmelbild, das sich in den knapp 40 Minuten zu Gustav Mahlers 5. Sinfonie, entfaltet, geht es Morau um eine Jugend, die in Krisenzeiten resigniert hat und keinen Elan mehr hat, der Gesellschaft neue Impulse zu geben. Was passiert mit einer Gesellschaft, der dieser Veränderungsimpetus fehlt, lautet die Leitfrage im Programm.

Die Choreographie bietet zu den aufgewühlten Klängen am Übergang von Spätromantik und Moderne vor allem Körper, die sich ineinander verknäueln. Die Fragestellung, die Morau vorschwebt, bleibt ohne Hintergrundwissen unklar.

Nach der Pause folgt „Angels´Atlas“ der Kanadierin Crystal Pite, die 1990 in die Compagnie von William Forsythe eintrat und früh begann, eigene Arbeiten zu entwickeln. Ausgangspunkt dieser Choreographie, die 2020 für das National Ballett of Canada entstand, war ein Spiel mit Lichtreflexionen, das an alte Kirchenfenster erinnert, und Jay Gower Taylor und Tom Visser erdachten.

Zu sakralen Klängen von Peter I: Tschaikowsky (Cherubinische Hymne aus der orthodoxen Liturgie des Hl. Chrysostomos) und Morten Johannes Lauridsen (O Magnum Mysterium) schreitet, schwebt und tanzt das Ensemble wie Hohepriester durch das Halbdunkel des kultischen Raums. Eine Arbeit von hoher Eleganz!

Bilder: Serghei Gherciu

 

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