Mein Herz dein Bunker – 290 BPM

Von der Aufbruchszeit kurz nach dem Mauerfall wollten Paula Thielecke und das Jugendsparte des Deutschen Theaters Berlin erzählen: die Leerstände im Osten der Stadt boten Freiräume für Experimente. Clubs schossen aus dem Boden, Techno florierte als neue Musikrichtung. Es muss eine Zeit kreativer Anarchie gewesen sein, die ich leider nicht miterlebt habe.

Die Spieler*innen von DT Jung kennen diese Zeit auch nur aus Erzählungen ihrer Eltern-Generation. Deshalb hat der Abend „Mein Herz dein Bunker – 290 BPM“ von vornherein damit zu kämpfen, dass er Authentizität nur vortäuschen kann. In einer Fake-Dokumentation schwärmen die Jugendlichen von den wilden Zeiten, die sie im fiktiven „Wursthof“ hatten und verfallen dabei in breitesten Berliner Slang.

Jenseits dieser Videosequenzen wird der 100minütige Abend zum hyperaktiven Wimmelbild: das DT hat neben den eigenen Spieler*innen noch die Kinder- und Jugendsparte der Compagnie Sasha Waltz & Guests, Akrobat*innen von Cabuwazi Tempelhof, Mitglieder der Street UniverCity Berlin und die Live DJ Chica Paula (Paula Schopf) auf die Kammerbühne geholt. Ein enormer Aufwand, den nur ein so großes Haus wie das DT stemmen kann.

Inhaltlich bleibt der Abend dünn. Paula Thielecke, die nicht nur den Text schrieb, sondern auch Regie führte, ist dem Berliner Publikum bereits durch ihre feministische Überschreibung Judith Shakespeare – Rape and Revenge bekannt, die bei der Langen Nacht zum Abschluss der Autorentheatertage 2022 uraufgeführt wurde. Sie ist ebenfalls erst kurz nach dem Mauerfall in Lichtenberg geboren. Das Techno-Wummern errreicht enorme Lautstärken, hinter denen Ulrich Rasche mittlerweile weit zurückbleibt, der Abend kommt nicht über eine lose Abfolge von Nummern hinaus.

Das DT Jung-Projekt „Mein Herz dein Bunker – 290 BPM“ hatte am 25. November 2023 in der Kammer des Deutschen Theaters Berlin Premiere.

Bild: Dorothea Tuch

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