Stahltier

Wie die Albtraumsequenzen im Kopf von Willy Zielke wirkt der „Stahltier“-Text, den Albert Ostermaier als Auftragswerk für das Théâtre National du Luxembourg und das Berliner Renaissance Theater geschrieben hat. Der Name dieses Regisseurs und Kameramanns dürfte wohl nur wenigen geläufig sein. Ganz anders sieht es mit den beiden anderen Protagonisten dieses Stücks aus: Leni Riefenstahl, die Schöpferin monumentaler Propaganda-Filme, die sich opportunistisch von den Nazis instrumentalisieren ließ und sich später als Opfer sah, und Joseph Goebbels, der als „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ einer der engsten Vertrauten Hitlers war.

Als „Exorzismus in memoriam Willy Zielke“ sind Stücktext und Abend gedacht. Sicher ist, dass Zielke mit Riefenstahl zusammenarbeitete und es zu einem Zerwürfnis kam. Sicher ist auch, dass der Regisseur in die Psychiatrie eingeliefert und dort zwangssterilisiert wurde. Wie groß der Anteil von Riefenstahl daran war, ist umstritten. Zielke warf ihr vor, dass sie seine Entmündigung betrieben und sein Material als ihres ausgegeben habe.

Die stärksten Passagen des Ostermeier-Textes sind getrieben von Zielkes Wut und werden vom Duo des Abends (Jaqueline Macaulay und Wolfram Koch) im Chor gesprochen. Dazwischen malt sich der Autor aus, wie es bei den Treffen von Goebbels und seiner Star-Regisseurin zugegangen sein mag. Frank Hoffmann inszeniert das sehr zurückgenommen als wortlastiges Kammerspiel, im Hintergrund laufen Sequenzen aus den Filmen von Riefenstahl und Zielke, die in den Dialogen verhandelt werden.

Koch und Macaulay wechseln die Rollen, umkreisen und belauern sich. „Stahltier“ bleibt stets Historien-Drama, weicht nicht in den Slapstick aus, auf dem sich Koch sonst so wohl fühlt und mit dem er auch einige Kilometer weiter am Deutschen Theater Berlin in „Der Sturm“ zu sehen ist. Zwangsläufig bleibt auch bei der Schilderung der Treffen zwischen Riefenstahl und Goebbels vieles im Spekulativen und im Kopfkino des Autors. Das Eis ist dünn und der Abend schlittert auch in eine merkwürdige Szene, in der Riefenstahl dem Minister anbietet, seine Brüste zu zeigen. In diesen Momenten entfernt sich die Inszenierung dann doch recht weit vom Ziel, Zielke zu rehabilitieren oder dem Publikum auch nur näher zu bringen, zu sehr dominieren Riefenstahl/Goebbels den Abend.

„Stahltier“ hatte nach der Luxemburger Uraufführung am 4. April 2024 im Renaissance Theater Premiere und ist dort in dieser Spielzeit bis 19. Mai 2024 in weiteren Vorstellungen zu sehen.

Bild: Bohumil Kostohryz

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