Riesenhaft in Mittelerde

Kurz vor Schluss von Nicolas Stemanns/Benjamin von Blombergs Zürcher Intendanz wurde ein Fantasy-Spektakel aus dem Schiffbau für die ganze Familie eingeladen. Bemerkenswert an diesem Theaterabend waren seine Niedrigschwelligkeit und Inklusivität: Gab es beim Theatertreffen schon jemals ein so bunt gemischtes Publikum vom Opa bis zum Kleinkind?

Äußerst vielfältig ist auch das Ensemble dieses Abends, das von drei Kooperationpartnern kommt: die Ausgangsidee stammt von Stephan Stock, Co-Leiter des Theater Hora, einer der bekanntesten inklusiven Theatergruppen. Er stand bei den beiden Berliner Gastspielen auch selbst mit auf der Bühne als Einspringer für Kay Kysela vom Schauspielhaus Zürich. Regie führt Stock gemeinsam mit dem Schauspielhaus-Co-Intendanten Stemann, der wieder live am Klavier spielt, mit Florian Loycke vom Puppentheater Das Helmi, das in den vergangenen Jahren eine Heimat im Ballhaus Ost gefunden hat, nach dem Aus der Förderung jedoch um die Zukunft bangt, sowie dem von den Kleinkunstbühnen bekannten Cora Frost.

Knapp zwei Stunden lang bieten sie eine sehr anarchische, oft auch alberne Show, die sich im Stil von Stemanns Weihnachtsmärchen diesmal durch die Motive der „Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien pflügt. Drei Livekamera-Leute folgen den Spieler*innen auf Schritt und Tritt, die sich Gassen durch den Publikumspulk bahnen. Die Zuschauer*innen haben die Wahl, sich ins Gewusel zeu werfen oder das Geschehen aus sicherer Entfernung von den Stühlen der Seitenbühne aus zu verfolgen.

Songs und Spielszenen wechseln sich ab, garniert mit kleinen Seitenhieben gegen die Blockbuster-Verfilmungen der Tolkien-Saga und die erbitterte Kritik an Stemanns Intendanz, die zum vorzeitigen Aus führte. Dieses Ende seiner Amtszeit thematisierte Stemann auch in einer kleinen Zugabe: er betonte, dass das Theatertreffen-Gastspiel bereits die Dernière von „Riesenhaft in Mittelerde“ war, falls sich nicht Mäzene oder Festivals finden, die eine Fortsetzung jenseits des Schauspielhaus-Repertoires finanzieren. Diese müssten sich aber vermutlich schnell melden, da sich der Interims-Intendant Uli Khuon für die nächste Spielzeit ein so ambitioniertes Programm vorgenommen hat wie man es aus seiner Ära am DT Berlin. Gefühlt fast jede Woche will er eine Premiere stemmen. Da dürfte der Platz für abgespielte Bühnenbilder der Vorgänger schnell eng werden.

Vor dieser Zugabe gab es noch ein Mitmach-Event: die Hora-Spieler forderten alle Zuschauer auf, auch von der Seitenbühne ins Zentrum zu kommen und sich an einer Gute Laune-Abschieds-Choreographie zu beteiligen. Das passte zu einem merk- und denkwürdigen Event, das inhaltlich dünn blieb, den Performer*innen aber sichtlich Spaß machte.

Bild: Philipp Frowein

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