Eine schöne Erkenntnis des Theaterabends Gólgota Picnic beim Foreign Affairs-Festival im Haus der Berliner Festspiele war, dass es in Berlin keine wütenden Blasphemie-Vorwürfe religiöser Eiferer oder Rechtspopulisten gab. Als der Argentinier Rodrigo García mit seiner Inszenierung in Graz und Hamburg vor einigen Monaten gastierte, empörten sich Haiders Gesinnungsgenossen von der FPÖ bzw. die Piusbrüder.
Zurecht blieb es in Berlin ruhig. Wie schon Rezensionen bei SPIEGEL Online, nachtkritik und FAZ herausarbeiteten, setzt dieser Abend auf eine Ekel-Ästhetik, die sich im Geist des Aktionstheaters der 60er oder 70er Jahre ganz besonders wild und rebellisch gibt: die Schauspieler müssen sich natürlich ausziehen und mit Farbe beschmieren, sich gegenseitig Hamburger in den Mund stopfen und die Reste ausspucken. Am besten überträgt man die Highlights dann auch noch auf große Leinwände, wie es Frank Castorf als Stilmittel an seiner Volksbühne vorgemacht hat. Fertig ist die angebliche Skandalinszenierung, die sich als wütende Abrechnung mit Konsumgesellschaft und Christentum versteht. Vor einigen Jahrzehnten mag ein solcher Regiestil noch eine Herausforderung für das bürgerliche Publikum gewesen sein, vielleicht ist ein solcher Abend auch in einem tiefkatholischen Land wie Spanien noch mutig, hierzulande sorgt die plumpe Brachialästhetik für müdes Abwinken.
Über die beschriebenen Szenen legt sich ein Brei aus Monologen der Schauspieler im spanischen Original mit deutschen Übertiteln, die mit mehr oder minder nachvollziehbaren Assoziationen um die Kreuzigung Jesu auf dem biblischen Berg Gólgota und die Essgewohnheiten einer Fast-Food-Gesellschaft kreisen. Die Schauspieler waten und wälzen sich durch ein Meer der handelsüblichen Papp-Brötchen, die ansonsten von McDonald´s, Burger King und Co. mit faden Beilagen und zähem Fleisch belegt werden.
Die zweite Hälfte des Stückes gehört allein Mario Formenti, der sich auch erst mal auszieht, aber überraschenderweise von keinem Bühnen-Kollegen mit irgendwelchen Farben oder Flüssigkeiten beschmiert, besprüht oder übergossen wird, sich stattdessen ans Klavier setzt, das über das Burger-Schlachtfeld polternd reingeschoben wird, und Joseph Haydns Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze spielt.