Kabale und Hiebe

Frank Castorf über Molière, Bulgakow und das nahende Ende seiner Volksbühnen-Ära

„Du musst ja nicht noch mal rein. Aber meistens sind die zweiten Hälften die Besten“, versucht eine Frau ihren erschöpften Begleiter zu motivieren, bis zum Ende um halb 1 Uhr morgens durchzuhalten.

Aufgeschnappt als Pausengespräch vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Frank Castorf hat zu einer der letzten Premieren seiner Intendanten-Ära geladen: „Die Kabale der Scheinheiligen. Das Leben des Herrn de Molière“ nach Michail Bulgakow.

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In den ersten drei Stunden waren schon einige Glanzlichter geboten: gleich zum Einstieg ein längerer Monolog von Sophie Rois (als Michail Bulgakow), die allerdings bis 23 Uhr in der Versenkung verschwand und alle Zeit der Welt hatte, das Champions League-Finale der beiden Lokalrivalen aus Madrid zu verfolgen. Oder die pointierten, mit Szenenapplaus bedachten Dialoge zwischen Georg Friedrich (als Sonnenkönig Ludwig XIV. rauchend und auf seinem Sofa fläzend) und Lars Rudolph (als Erzbischof von Paris).

Vor allem aber mitten in dem Castorf-üblichen Gewusel sich gegenseitig als hysterisch beschimpfender und – diesmal vorzugsweise auf Französisch mit Übertiteln – schreiender Schauspieler der Volksbühnen-Heimkehrer Alexander Scheer (als Jean-Baptiste Poquelin de Molière).

Natürlich springt auch dieser Castorf-Abend wild und sehr assozativ in Zeit und Raum. Wie von seinem Dramaturgen Sebastian Kaiser angekündigt, vermischen sich Zeiten und Figuren und fügen sich diskontinuierlich zusammen. Fremdtexte werden gesampelt, neben Molière und Bulgakow tauchen Racines „Phädra“ und Fassbinders „Warnung vor einer heiligen Nutte“ auf.

Einen roten Faden gibt es in diesem Nebel sich überlagernder Diskurse: die trotzige, aber auch selbstironische Haltung, mit der sich die Volksbühne ein Jahr vor dem Ende der Castorf-Ära selbst feiert. In Erinnerung bleiben vor allem die Momente, in denen Alexander Scheer weniger den Molière, sondern vielmehr Frank Castorf spielt und sich als „Stückezertrümmer“ bezeichnet. Kurz vor der Pause spricht er über die Philosophie des Hauses und stichelt gegen die Säulenheiligen anderer Theatertraditionen, namentlich werden Klaus Maria Brandauer und Ulrich Matthes genannt. Aber auch alte Weggefährten wie Henry Hübchen werden durch den Kakao gezogen.

Diese Momente hätte man jederzeit auch zu einer Best-of-Fassung von einer knappen Stunde ganz ohne Pausenfrust komprimieren können, aber das wäre dann natürlich kein echter Castorf-Abend mehr.

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Plakatmotiv: Volksbühne Berlin/LSD/Lenore Blievernicht

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