Penthesilea

Constanze Becker thront wieder ganz oben. Unter ihr eine abschüssige Rampe (Bühne: Olaf Altmann), um sie herum tiefes Schwarz und ganz unten wir armen Würmchen im Publikum.

Als Penthesilea hält sie den nackten, blutüberströmten Achill (Felix Rech) wie die Pietà auf ihrem Schoß. Kleists Tragödie, die Navid Kermani als das brutalste Liebesdrama der deutschen Theatergeschichte bezeichnete, ist an ihr Ende gekommen. Michael Thalheimer beginnt seine Frankfurter Inszenierung damit.

Der Abend fordert sein Publikum: der archaische Stoff und Kleists Sprache, die aus dem Jahr 1803 zu uns herüber raunt, sind sperrig. Thalheimer hat den Abend auf etwas mehr als 100 Minuten verdichtet. Im Zentrum stehen Achill/Rech und Penthesilea/Becker, die Botenberichte und Rückblenden spricht Josefin Platt.

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PENTHESILEA Regie: Michael Thalheimer Felix Rech, Constanze Becker Foto: Birgit Hupfeld

Das zentrale Thema der Penthesilea fasste Dramaturgin Sibylle Baschung so zusammen: „Das Objekt der Begierde muss unterworfen werden, Liebe in Form von Hingabe liegt nicht im Bereich des Möglichen. Bei keinem. Vorerst.“ Die Amazonenkönigin, die nach einem Massaker an allen Männern ihres Volkes und der Massenvergewaltigung der Frauen über einen wehrhaften Staat von Kriegerinnen herrscht, faucht, brüllt und zetert: Constanze Becker glänzt auch hier als Heldin in einem antiken Mythos. In Varianten ihrer Paraderolle haben wir sie seit ihrem Durchbruch als Klytaimnestra in Thalheimers „Orestie“ (2006 am Deutschen Theater Berlin) schon mehrfach erleben dürfen.

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PENTHESILEA Regie: Michael Thalheimer Constanze Becker, Felix Rech Foto: Birgit Hupfeld

Die „Penthesilea“ ist ein unverkennbarer Thalheimer-Abend: in seiner Wucht, in seinen düsteren Farbtönen, in seinen Strömen aus Kunstblut und in seiner Haltung, sich ohne ironische Brechungen unbedingt auf die großen Gefühle, den dionysischen Wahn und die Ekstase seiner Figuren einzulassen, die auf den ersten Blick so erschreckend fern wirken.

Ein bemerkenswerter Abend, der die Einladung zum Berliner Theatertreffen 2016 verdient gehabt hätte. Dass Thalheimer und Becker dort schon 2013 zum Eröffnungsabend mit ihrer „Medea“ gastierten, ist zwar eine mögliche Begründung, aber keine Entschuldigung für die Entscheidung der Jury.

Premiere war am 4. Dezember 2015 im Schauspiel Frankfurt/Main. Mit der Berlin-Premiere am 14. Oktober 2017 wurde der Abend ins Repertoire des Berliner Ensembles übernommen.

Bilder: Birgit Hupfeld

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