Die Gestaltung der Spielpläne führt manchmal zu skurrilen Überschneidungen: In wenigen Wochen feiert in den Kammerspielen des Deutschen Theaters ein Abend mit Transgendern und Dragqueens Premiere, der unter dem Titel „ugly duckling“ auf Hans-Christian Andersens Märchen vom „Hässlichen Entlein“ Bezug nimmt.
Genau mit dieser Referenz steigt auch Didier Ruiz in seinen Dokumentartheater-Abend „Trans (més enllà)“ ein, den er mit seiner „La compagnie des Hommes“ entwickelte. Sieben Transgender kommen nach und nach auf die schmale, leere Globe-Bühne und reflektieren ihre Erfahrungen: Wann wurde ihnen schmerzlich bewusst, dass sie sich in ihrer zugeschriebenen Geschlechtsidentität nicht wiederfinden? Wie reagierten Eltern, Freunde, Arbeitskollegen und Partner darauf?
Bis auf einige Video-Projektionen, die als Pausenfüller und spielerische Auflockerungen wenig zum Gelingen des 75 Minuten kurzen Abends beitrugen, erleben wir klassisches, minimalistisches Dokumentartheater. Nichts lenkt von den authentischen Erfahrungsberichten der sieben Transgender ab. Das spröde, schnörkellose Konzept funktioniert überraschend gut: die sieben Akteur*innen repräsentieren unterschiedliche Generationen, Milieus und Erfahrungen und zeichnen so ein facettenreiches Bild.
Da es sich um starke, kantige Persönlichkeiten, die wirklich etwas zu erzählen haben, habe ich ihnen gerne zugehört: viel Lecture, wenig Performance. Als Fazit bleibt das Unbehagen der Sprecher*innen an der binären Geschlechterordnung. Ian de la Rosa und Clara Palau machen an plastischen Beispielen deutlich, dass sie sich dadurch eingeengt fühlen, dass sie im Transitions-Prozess auf primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale verzichten und sich eindeutig auf das binäre Geschlecht festlegen mussten. Sie wünschen sie eine größere Vielfalt der Möglichkeiten jenseits starrer Normen.
Die Koproduktion war im vergangenen Jahr u.a. auch beim renommierten Festival d`Avignon zu sehen und gastierte für zwei Vorstellungen beim FIND-Festival der Schaubühne.
Aus Peking waren Li Jianjun und seine „New Youth Group“, eine der wenigen freien Gruppen des Landes, zu Gast: das erste chinesische Gastspiel in der Geschichte des FIND-Festivals. „Popular Mechanics“ hatte im vergangenen Jahr beim Wuzhen Theatre Festival Premiere und vereint Laien und Halb-Profis zu einem bunten Reigen kleiner Nummern.
Zwölf Akteur*innen sitzen in einer langen Reihe auf Klappstühlen. Eine*r nach dem anderen tritt nach vorne, stellt seine/ihre Biographie in kurzen Schlaglichtern vor und performt anschließend einen kleinen Schnipsel. Dieses Sammelsurium reicht von einer Tanz-Einlage aus „La La Land“ über mehrere Fragmente aus „Hamlet“ oder Tschechow-Klassikern bis hierzulande kaum bekannten chinesischen Filmen und Stücken.
Bevor sie wieder in Reih und Glied verschwinden, haben sie oft noch einen kurzen Small-Talk, was sie zu diesem Projekt brachte. Das hat laienhaften Charme und in seltenen Fällen auch etwas Witz, wenn z.B. ein Spieler, der sich als Fußball-Fan vorstellt, über ein Schaubühnen-Gastspiel im Pekinger National Theater lästert.
Der mit 105 Minuten zu lang geratene Abend wird von Video-Einspielern und weiteren, nur vom Blatt gelesenen Stück-Fragmenten Berliner Gäste eingerahmt. Wegen des geringen Unterhaltungswerts und Erkenntnisgewinns blieb der Beifall nach diesem Gastspiel im Gegensatz zu „Paisajes para no colorear“ oder „Trans (més enllà) sehr verhalten.
Vorschaubild aus „Trans (mes enllà): Emilia Stéfani-Law; Bild aus „Popular Mechanics“: Luo Chuhui