Die Berliner Theaterszene wartet gespannt auf das Schaubühnen-Debüt von Joachim Meyerhoff, den Thomas Ostermeier als besonderen Coup vom Wiener Burgtheater loseiste – und sieht erst einmal nichts. Die Bühne bleibt schwarz, während Herbert Fritschs Stamm-Musiker*innen Ingo Günther und Taiko Saito das Piano und das Marimbaphon an den Bühnenrändern malträtieren und das Publikum mit bewusst schrägen, atonalen Klängen irriteren.
Als es auf der von bunten Stoffbahnen begrenzten Bühne endlich hell wird, warten die Zuschauer*innen immer noch vergeblich auf Meyerhoff: der Prolog gehört Werner Eng als kapriziöse Drag-Diva in der Rolle der „Nacht“ und Bastian Reiber als narzisstischer Götterbote Merkur.
Erst dann nimmt die Molière-Komödie langsam Fahrt auf und kommt auch der Berlin-Rückkehrer Meyerhoff endlich ins Spiel. Seine erste Szene mit Bastian Reiber gibt den Ton des Abends vor Noch viel übertriebener grimassierend als von Herbert Fritschs Inszenierungen gewohnt, spielen die beiden ihre Doppelgänger-Verwechslungskomödie. Mit weit aufgerissenen Augen und rudernden Armen zieht es dem Sosias (Meyerhoff) regelrecht den Boden unter den Füßen weg, als ihm Merkur (Reiber) seine Identität klaut und ihm erfolgreich einredet, dass nur er der wahre Sosias sei.
In diesen ersten Szenen zeigt sich auch bereits, was diesem Fritsch-Abend fehlt: sein Körpertheater lebt davon, dass es im besten Fall in perfektem Timing präzise durchchoreographiert ist. Diesmal ging er bewusst einen anderen Weg. Wie er in einem Gespräch auf der Schaubühnen-Webseite erklärte, war seine Choreographie diesmal nicht von vornherein festgelegt. Er entwickelte seine Inszenierung stattdessen anhand von Molières Komödien-Klassiker aus dem 17. Jahrhundert Szene für Szene und Schritt für Schritt.
Daraus entsteht eine durchaus witzige Nummernrevue, in der Fritsch-Stamm-Spieler*innen wie Carol Schuler als hysterische, gekränkte Cleanthis oder Florian Anderer in schönen Barocktanz-Parodien als betrogene Titelfigur Amphitryon ihr gewohntes Repertoire an Komik und Slapstick sehr souverän abspulen.
Es ist aber keine Inszenierung aus einem Guss. Der „Amphitryon“ ist eine solide, durchaus unterhaltsame Komödie, der aber der überdrehte Aberwitz und das genaue Timing der Farce „Champignol wider Willen“ fehlt und die im Gegensatz zu Fritsch Dada-Arbeiten aus Volksbühnen-Arbeiten auch recht brav an der berühmten Vorlage aus der Zeit des französischen Sonnenkönigs klebt. In den wie üblich sehr schillernden Kostümen von Victoria Behr tänzeln, gestikulieren und grimassieren sich die Spieler*innen durch eine Comic-Version des Komödienstoffes.
Die schöne Erkenntnis des Abends ist, wie selbstverständlich sich Meyerhoff , der am Burgtheater oft als Solist wie in „Die Welt im Rücken“ glänzte, sich hier in das Ensemble einfügt, das sich aus Fritschs Schaubühnen-Stammkräften und der vom Berliner Ensemble zu ihm zurückgekehrten Annika Meier zusammensetzt, die schon in Fritschs Volksbühnen-Hits wie „der die mann“ mitspielte.
Für den Premieren-Schlussapplaus hat sich der Regisseur wie immer einen kleinen Gag ausgedacht: seine Spieler*innen haben ihn mit Paketband verschnürt, zerren ihn auf die Bühne und wickeln ihn hier aus.
Bilder: Thomas Aurin