Drag Queen Taylor Mac läuft dann zur Hochform an, wenn judy Zwischenrufe aus dem vollen Saal parieren kann. Die Shows leben von der Spontaneität der Performer*in, der Interaktion mit dem Publikum und dem Gemeinschaftsgefühl, das sich in den langen, langen Stunden dieser extravaganten Live-Events bildet.
In Pandemie-Zeiten vor dem Bildschirm kann es nur ein fernes Echo dieser Bühnen-Show geben. Taylor Mac trägt zwar wieder eines der ausladenden Kostüme, einen opulenten Farbschock aus Obst- und Blumenornamenten und meldet sich live aus einem New Yorker Off-Theater zu Wort. Routiniert wie es sich für eine*n geborenen Entertainer*in gehört führt judy durch das Programm, das drei Teile verbindet:
Erstens ist diese Online-Show eine Hommage an Mother Flawless Sabrina, die Drag-Mutter von Taylor Mac. Wie wichtig eine Drag-Mutter für die Entwicklung der Drag-Persönlichkeit ist, beschrieben die Performer*innen im vergangenen Jahr in Bastian Krafts „ugly duckling“ am DT Berlin.
Zweitens erzählt Taylor Mac, was Weihnachten für judy bedeutet: die Erinnerung an die Feste mit den Redneck-Großeltern, die Enge, die Homophobie, das Ausgestoßen-Werden aus der Familie auf dem Höhepunkt der AIDS-Pandemie. Deshalb suchte sich Taylor Mac in eine queere Wahlfamilie in der New Yorker Avantgarde- und Kunstszene. Von diesem schmerzhaften Entwicklungsprozess erzählt Taylor Mac im Song „Christmas With Grandma“, aber auch in dieser sehr persönlichen Nummer wirkt die Drag-Diva wesentlich distanzierter als auf der Bühne: kaum ein Wort mehr als nötig, keine Abschweifung, kein spontaner Gag.
Drittens gibt Taylor Mac befreundeten Performer*innen der queeren Community eine Bühne. Wir sind noch da, auch in diesen für Künstler*innen existentiellen Zeiten: Thornetta Davis schmettert „O Holy Night“, James Tigger! Ferguson legt eine seiner Boylesque-Nummern im Wohnzimmer hin. Zum Schluss winken queere Aktivist*innen wie Mahide Lein, die von den lokalen Kooperationspartnern wie dem Haus der Berliner Festspiele als „Queen 2020“ für ihr Engagement ausgezeichnet werden.
Nach nur 65 Minuten endet diese Show. Die Live-Events aus dem Herbst 2019 wirken „rund 4,34 Lichtjahre“ entfernt, so weit wie das sonnennächste Sternsystem Alpha Centauri, wie der Tagesspiegel in seinem Vorbericht schrieb. Der kurze Abend kann nur ein kleiner Ersatz sein und macht deutlich, wie groß die Lücke ist, die Corona gerissen hat. Vor allem fehlt dem Abend, an dem Taylor Mac ganz allein vor der Kamera sitzt, das kongeniale Zusammenspiel wie mit Glücksgriff Hannelore auf der Berliner Bühne im Herbst 2019.
Ein Video-Mitschnitt der neuen Show ist noch bis 2. Januar bei den Berliner Festspielen abrufbar.
Bild: Little Fang Photograph
Mahide Lein
Vielen Dank !
Ich fühle mich sehr geehrt in diesem holden Kreis zu sein ❤️ und freue mich auf die gemeinsame Zukunft ❤️
Herzlich von Mahide Lein
Eure Berliner Queen