Felix Krull

„Ich bin Felix Krull“, tönt es nacheinander aus drei verschiedenen Boxen. Abwechselnd gehen die LED-Lampen an einer Box an, ein Spieler steht im Rampenlicht und beginnt mit kleinen autobiographischen Erinnerungsschnipseln. Sobald er wieder im Dunkeln verschwindet, richten sich die Spots auf den nächsten „Felix Krull“. Wer sagt hier die Wahrheit? Wer ist der „echte Felix Krull“? Es ist ein amüsanter Regie-Einfall von Bastian Kraft, dass er den Blender und Hochstapler aus Thomas Manns Roman-Klassiker in einem Setting auftreten lässt, das an den US-amerikanischen Quizshow-Klassiker „To tell the Truth“, der auch in der deutschen „Sag die Wahrheit“-Version Fernsehgeschichte geschrieben hat.

Der Aufschneider Krull manövriert sich schnell in eine unangenehme Situation. Als einer der drei prahlt, er würde auch selbstverständlich in Unterhose eine blendende Figur machen, beginnt ein sehr komisches und präzise inszeniertes Striptease-Duell, in dem sich die drei Krulls belauern, bis die Szene fließend in Krulls Musterung übergeht, die wohl bekannteste Szene des Romans.

Mit seinen drei Spielern Pascal Fligg, Nicola Fritzen und Justin Mühlenhardt hat Bastian Kraft ein „Best of“ aus dem Roman destilliert. Fast auf den Tag genau zehn Jahre ist dieser Abend inzwischen alt, Kraft war damals noch ein junges Regie-Talent, das zu einer Karriere an großen Häusern in Berlin, Wien und Zürich ansetzte. Von den drei Schauspielern ist nur noch Fligg im Ensemble des Volkstheaters, aber die beiden anderen aus der Originalbesetzung gastieren regelmäßig in diesem Münchner Repertoire-Dauerbrenner.

Justin Mühlenhardt, Nicola Fritzen

Auch in Corona-Zeiten muss die Inszenierung nur wenig angepasst werden. Vielleicht ist der Abstand zwischen den drei Boxen heute etwas größer als damals, aber der dreifache Krull achtete schon damals darauf, dass ihm die Rivalen nicht zu nahe kommen und jeder in seiner Box bleibt. Erst im letzten Drittel muss das Trio Masken aufsetzen, als sie zu einem akrobatischen Verwirrspiel ansetzen und ihre Boxen tauschen, ohne den Boden zu berühren.

Der folgende Schluss ist der schwächste Teil des knapp zweistündigen Abends: zu redundant wirken schon in Thomas Manns unvollendetem Mammutwerk die Hochstapeleien der Figur. Motive und Erzählmuster wiederholen sich. Der Inszenierung tun aber vor allem die letzten zehn Minuten nicht gut: in einem Impro-Spiel voller Kalauer versandet die Inszenierung, die so spielerisch-leicht begann und sich am Ende in ein paar Mätzchen und Sparwitzen zu viel verliert. Dieses Schicksal hat Bastian Krafts Münchner „Felix Krull“ von 2011 mit Alexander Eisenachs „Felix Krull. Stunde der Hochstapler“ zur Spielzeit-Eröffnung am Berliner Ensemble im August 2019 gemeinsam.

Bilder: Andrea Huber

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